TV-Tipp: "Astrid"

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19. Juni, 3sat, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Astrid"
Lässt man Schweden mal beiseite, hat Astrid Lindgren nirgendwo auf der Welt so viele Fans wie in Deutschland. Die Regisseurin Pernille Fischer Christensen hat einen Teil des Lebens der Autorin verfilmt.

Lässt man Schweden mal beiseite, hat Astrid Lindgren nirgendwo auf der Welt so viele Fans wie in Deutschland. Ihre Geschichten über Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter oder Karlsson vom Dach, alle ebenso heiter wie spannend und von einer großen Liebe zu Kindern geprägt, haben sich allein hierzulande 20 Millionen mal verkauft. Die Gesamtauflage ihrer Bücher liegt bei 165 Millionen Exemplaren; sie sind in über hundert Sprachen übersetzt worden. Als erste Kinderbuchautorin überhaupt ist die 2002 im Alter von 94 Jahren verstorbene Schwedin 1978 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt worden.

Dabei hatte sie sich in jungen Jahren trotz ihres erkennbaren Talents fest vorgenommen, nie Schriftstellerin zu werden. 1939 veröffentlichte sie zwar eine Art Reisetagebuch über verschiedene Autofahrten durch Schweden, doch ihr Weltruhm basierte auf den Geschichten, die sie im Winter 1941 ihrer an einer Lungenentzündung erkrankten Tochter Karin erzählte. Heldin der Abenteuer war ein Mädchen mit übermenschlichen Kräften und frechen roten Zöpfen; den Namen hat Karin ihr gegeben.

1944 reichte Lindgren das Manuskript bei einem Verlag ein; es wurde abgelehnt. Mit einer anderen Geschichte belegte sie bei einem Wettbewerb für das beste Mädchenbuch den zweiten Platz. Im Jahr drauf nahm sie mit einer überarbeiteten Version von "Pippi Langstrumpf" teil und gewann. Als Pippi 2019 75 Jahre alt wurde, hat das ZDF den Geburtstag im Hauptprogramm sowie auf dem Tochtersender Neo mit einer Wiederholung der vier "Pippi Langstrumpf"-Kinofilme mit Inger Nilsson gefeiert. Höhepunkt des Feiertages war das schwedisch-dänische Drama "Astrid" (2018), das 3sat heute noch mal zeigt (leider ohne die "Pippi"-Filme).

Wer sich von dem Film jedoch eine Begegnung mit den verehrten Heldinnen und Helden seiner Kindheit erhofft, wird enttäuscht: Sie tauchen zwar kurz auf, aber nur auf den Zeichnungen, mit denen Kinder der betagten Autorin zum Geburtstag gratulieren. In der Post ist unter anderem auch eine Hörkassette mit den Grußbotschaften einer Schulklasse. Ein Junge will wissen, warum sie so gut über Kinder schreiben kann, obwohl sie selbst doch schon so lange kein Kind mehr ist; und nun setzt in Form einer langen Rückblende die eigentliche Handlung ein. 

Sie beginnt in den frühen Zwanzigerjahren. Astrid ist das, was man damals einen "Backfisch" nannte: noch nicht richtig erwachsen, aber auch kein Kind mehr. Mit 16 beginnt die fröhliche junge Frau eine Ausbildung bei der Zeitung in Vimmerby. Der mit einer bösartigen Gattin geschlagene Redakteur Blomberg (Henrik Rafaelsen) findet großen Gefallen an der talentierten Volontärin, und als eins zum anderen kommt, wird Astrid mit 18 Jahren ungewollt schwanger. Die Kindheit ist mit einem Schlag vorbei; selbst im liberalen Schweden war eine uneheliche Schwangerschaft in jenen Jahren ein Skandal.

Entsprechend schockiert reagiert Astrids gottesfürchtige Mutter (Maria Bonnevie). Weil Blomberg fürchtet, wegen Unzucht ins Gefängnis zu müssen, bringt Astrid ihr Baby in Dänemark zur Welt. Der kleine Lasse bleibt anschließend in der Obhut der liebevollen Pflegemutter Marie (Trine Dyrholm). Als die Frau schwer erkrankt, fürchtet Astrid, den Mutterpflichten nicht gewachsen zu sein, aber Marie beruhigt sie: Kinder brauchen Liebe, und davon habe Astrid mehr als genug; nun muss sich die junge Frau mit Anfang zwanzig als alleinerziehende Mutter durchschlagen. 

Die Dänin Pernille Fischer Christensen, für ihr Regiedebüt "En Soap" 2006 bei der Berlinale mit einem "Silbernen Bären" geehrt, beschränkt sich tatsächlich auf diese fünf Jahre im Leben ihrer Heldin. Die Unbeschwertheit aus Lindgrens Kinderbüchern ist nur in den ersten Szenen zu spüren; der Rest ist Drama. Dass der Film dennoch nicht in Tristesse versinkt, hat er der herausragenden Leistung seiner Hauptdarstellerin zu verdanken: Zu Beginn versieht Alba August die Heldin mit jener Unbekümmertheit, die auch viele von Lindgrens Heldinnen auszeichnet.

Als sich Astrid die Zöpfe abschneiden lässt, verwandelt sich der freche Teeanger in eine attraktive junge Frau. Später sorgt ihre positive Ausstrahlung selbst in den düsteren Momenten für eine imposante Leuchtkraft. Die Hauptdarstellerin ist das Kind zweier berühmter Eltern: Vater Bille ("Fräulein Smillas Gespür für Schnee") ist einer der meistausgezeichneten Regisseure Dänemarks, Mutter Pernille eine bekannte schwedische Schauspielerin. Für Tochter Alba dürfte "Astrid" der erste Schritt einer gleichfalls großen Karriere sein.