Zum Beten auf den Berg

Berggottesdienst an der Kampenwand am17.07.2022.
epd-bild/Axel Effner
Gottesdienste auf einem Berg, wie hier an der Kampenwand, entfalten eine besondere Wirkung.
Gottesdienste auf dem Gipfel
Zum Beten auf den Berg
Ab Mai laden viele Kirchengemeinden wieder zu Berggottesdiensten ein - vom Fichtelgebirge über den Bayerischen Wald bis in den Alpenraum und ins fränkische Seenland. Mehr als 800 Berggottesdienste bieten die evangelischen Gemeinden in den bayerischen Touristenzentren jährlich an - mit Erfolg. Menschen fühlen sich in der Natur untereinander viel näher bei diesen Veranstaltungen, sagt Karsten Schaller, Tourismus-Pfarrer der bayerischen Landeskirche, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

epd: Herr Schaller, es gibt in Bayern viele wunderschöne Kirchen. Trotzdem besteht momentan der Trend, die Menschen in die Natur zu locken - quasi die Natur zur Kirche zu machen. Fällt es Menschen in der Natur leichter, bei Gott zu sein?

Karsten Schaller: Viele Menschen fühlen sich in Kirchen fremd oder tun sich sogar schwer, Kirchen zu betreten. In der Natur ist oft ein leichterer Zugang. Wir erleben es oft, dass sich Menschen bei Berggottesdiensten spontan beteiligen, weil sie sich angesprochen fühlen von der Atmosphäre. Auch das Gemeinschaftsgefühl spielt eine Rolle: Bei Berggottesdiensten machen sich manche sternförmig auf den Weg und kommen an dieser exponierten Stelle am Berg zusammen.

 "Es ist eine legere Leichtigkeit, eine andere Haltung als in der Kirchenbank, wo man oft wie in einem Bus nebeneinander hockt."

Karsten Schaller ist der Tourismus-Pfarrer der bayerischen Landeskirche.

Der Brauch "Ab tausend Metern wird geduzt" besagt es: Im Gebirge fühlen sich Menschen untereinander viel näher. Man ist aufeinander angewiesen und muss Verantwortung füreinander übernehmen. Es ist eine legere Leichtigkeit, eine andere Haltung als in der Kirchenbank, wo man oft wie in einem Bus nebeneinander hockt. Die Natur ist ein anderer Resonanzboden als eine Kirche. Danach sehnen sich die Menschen heutzutage, sie wollen Teil der Schöpfung sein.

Was ist das Besondere, das Inspirierende bei diesen spirituellen Berggottesdiensten?

Schaller: Das gibt ein besonderes Lebensgefühl von Weite, oft auch von Erhabenheit, dieses Gefühl, dass sich da oben Himmel und Erde verbinden. Das spricht viele Menschen an, weil es sie erahnen lässt, dass es da auch eine andere Kraft gibt, die die Welt in Händen hält. Und wenn ich nach unten schaue, habe ich das Gefühl, dass ich enthoben bin von vielem, was mich auch im Alltag belastet - ich bin auf einer anderen Ebene und kann neu darüber nachdenken.

So ein Blick in den Himmel tut manchmal einfach gut. Das Unten und das Oben, beides im Blick zu behalten, das ist wichtig. Das leisten die Berggottesdienste.

Was raten Sie Menschen, die nicht so wanderfreudig oder sportlich sind oder es kaum auf einen Berg hinaufschaffen?

Schaller: Wir haben einige Berggottesdienste wie den am Wallberg am Tegernsee oder im Allgäu, die sind gut mit der Seilbahn erreichbar. Natürlich spielen auch die See-Gottesdienste bei uns eine Rolle, weil man gut hinkommt, wie am Roth- oder Brombachsee. Sie haben zwar nicht die Erhabenheit wie am Berg, aber trotzdem eine unglaubliche Dichte und gleichzeitig Weite. Ich empfehle auch die Berggottesdienste am Walmendinger Horn im Allgäu oder die Sonnenaufgangsgottesdienste. Da kann man sich von den Bergbahnen in der Früh im Finsteren hinauffahren lassen und dann oben am Gipfel den Sonnenaufgang erleben. Wer das einmal mitgemacht hat, das ist unvergesslich.