Politiker diskutieren auf Kirchentag über AfD-Verbot

Armin Laschet (CDU) auf dem Kirchentag
epd-bild/Thomas Lohnes
Der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hob auf dem Kirchentag den Respekt gegenüber Geflüchteten hervor.
Urteil "gesichert rechtsextrem"
Politiker diskutieren auf Kirchentag über AfD-Verbot
Nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung wird auch auf dem evangelischen Kirchentag über ein Verbot der Partei diskutiert. Der scheidende Bundeskanzler Scholz warnt vor einem "Schnellschuss".

Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch hat am Freitag beim evangelischen Kirchentag vielfach für Zustimmung gesorgt. Die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt prägte die Bibelarbeiten und Diskussionen am dritten Tag des Christentreffens, das noch bis Sonntag unter der Losung "mutig, stark, beherzt" in Hannover stattfindet. Prominenter Gast war der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er sprach sich gegen einen Schnellschuss bei einem Parteiverbotsverfahren gegen die AfD aus.

Scholz verwies auf Parteiverbotsverfahren, die in der Vergangenheit vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gescheitert waren, etwa zur rechtsextremistischen NPD. "Deshalb muss man diese Dinge sehr sorgfältig erwägen", sagte er. Ähnlich äußerte sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Er sprach sich dafür aus, das Gutachten des Verfassungsschutzes sehr genau zu lesen. Sollte ein Verbotsverfahren scheitern, wäre das ein großer Schaden und würde allein der AfD nützen.
Der Verfassungsschutz stuft die AfD aufgrund "der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei als gesichert extremistische Bestrebung" ein, wie die Behörde am Freitag mitteilte.

Auch der CDU-Politiker Philipp Amthor äußerte sich beim Kirchentag skeptisch zu einem Verbotsverfahren. Man dürfe sich nicht vormachen, dass man die Probleme durch Feinde der Demokratie nur durch Verbotsverfahren lösen könne, sagte er. Die Grünen-Politikerinnen Ricarda Lang und Katrin Göring-Eckardt sprachen sich dagegen dafür aus, ein AfD-Verbotsverfahren zu prüfen. Die frühere Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt rief zugleich dazu auf, trotz aller Differenzen mit Andersdenkenden im Dialog zu bleiben. "Haltet Kontakt, sprecht über Streuselkuchenrezepte oder was weiß ich und lasst dabei Eure Brandmauer stehen", sagte sie.

Rednerinnen und Redner forderten beim Kirchentag insgesamt mehr Einsatz für den Zusammenhalt und mehr Respekt. Der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hob dabei den Respekt gegenüber Geflüchteten hervor.

Als Herausforderungen wurden ein zunehmender Populismus, die Politik der Weltmächte USA und Russland sowie die technologische Entwicklung rund um Social Media und KI skizziert. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) warb für einen eigenen Kurs der EU in der Entwicklungspolitik. Diese dürfe sich durch die USA etwa mit Blick auf die Weltbank nicht einschüchtern lassen. Schulze betonte: "Wenn die USA Entwicklungshilfen und Investitionen im Bereich Nachhaltigkeit einstellen, müssen wir in Europa zusammenstehen und dagegenhalten."

Die Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, empfahl die Bibel als eine Richtschnur, auch für die Beurteilung von Schlagzeilen und Beiträgen in den sozialen Medien. Die hessen-nassauische Kirchenpräsidentin Christiane Tietz und der Physiker und Technikphilosoph Armin Grunwald mahnten, dass KI Technik und Hilfsmittel bleiben müsse.
Der frühere Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) rief zum gesellschaftlichen Engagement gerade in schwierigen Zeiten auf. Die Welt werde nicht besser, wenn man aus schwieriger Lage weggehe oder in die innere Emigration flüchte.

Einordnung: Was bedeutet die Einstufung "rechtsextremistisch"?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als gesichert rechtsextremistisch ein. Doch was bedeutet das und welche Konsequenzen hat die Einstufung für AfD-Mitglieder? Ein Überblick.

Was bedeutet "gesichert rechtsextremistisch"?

Der Verfassungsschutz, der deutsche Inlandsgeheimdienst, ordnet mögliche Fälle verfassungsfeindlicher Bestrebungen in drei Kategorien ein: Prüffall, Verdachtsfall und gesichert extremistische Bestrebung. Bei der dritten Stufe gilt der Verdacht als erhärtet, sodass aus Sicht der Behörde keine Zweifel mehr an der Verfassungsfeindlichkeit bestehen. Wie auch bei Verdachtsfällen ist der Verfassungsschutz gesetzlich verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren.

Welche Konsequenzen hat die neue Einstufung für die AfD?

Die unmittelbaren Rechtsfolgen sind begrenzt. Der Verfassungsschutz darf nun zusätzliche Überwachungsmittel wie das Abhören von Telefonaten oder das Gewinnen von Informanten einsetzen. "Für Parteimitglieder im öffentlichen Dienst, etwa Lehrkräfte, hat die Entscheidung zunächst keine direkten Konsequenzen", erklärt der Bochumer Verfassungsrechtler Stefan Huster dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die AfD-Mitgliedschaft allein genüge nicht für dienstrechtliche Maßnahmen - solche Entscheidungen erfolgten im Einzelfall. "Mit der neuen Bewertung lässt sich ein möglicher Amtsentzug oder eine Kündigung jedoch unter Umständen leichter begründen", gibt Huster zu bedenken.

Welche Bedeutung hat das für ein mögliches Parteiverbot?

"Die Einschätzung des Verfassungsschutzes dürfte all jene stärken, die ein AfD-Verbotsverfahren befürworten", sagt Huster, der den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Ruhr-Universität Bochum innehat. Ob das Bundesverfassungsgericht dieser Bewertung folge, sei allerdings offen. Das Gericht prüfe eigenständig, ob die vorliegenden Erkenntnisse ausreichten. "Für ein Parteiverbot reicht es nicht, dass eine Partei extremistische Positionen vertritt - sie muss aktiv und aggressiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgehen und diese konkret gefährden", betont Huster.

Kann sich die AfD gegen die Einstufung wehren?

Die AfD kann laut Huster juristisch gegen die Einstufung vorgehen. Zuständig wären dann die Verwaltungsgerichte. Die Bundessprecher der Partei, Tino Chrupalla und Alice Weidel, haben bereits juristische Schritte angekündigt. Gegen die Einstufung der Bundespartei als "Verdachtsfall" hat die AfD bereits in der Vergangenheit geklagt - ohne Erfolg.

Welche politischen Folgen sind denkbar?

Huster sieht zwei Möglichkeiten: "Entweder fühlen sich die Anhänger der Partei noch mehr bestätigt in ihrem Vorbehalten gegen die sogenannten Altparteien und das ‚politische Establishment‘ oder sie lassen sich davon beeindrucken und wollen doch nicht so weit gehen, eine gesichert rechtsextremistische Partei zu unterstützen." Natürlich gebe es die harten Überzeugungstäter unter den AfD-Wählern, aber auch einige, die nicht gleich den ganzen Rechtsstaat abschaffen wollten.