Menschenkette um Bundesverfassungsgericht geplant

Menschenkette aus Papierfiguren
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In Karlsruhe wird mit einer 650 Meter langen Menschenkette um das Bundesverfassungsgericht das Jubiläum des Grundgesetzes gefeiert.
75 Jahre Grundgesetz
Menschenkette um Bundesverfassungsgericht geplant
Mit einer Menschenkette um das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe soll am heutigen Donnerstag der 75. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert werden. Außerdem äußern sich leitende Geistliche der EKD und Prominente zum Jubiläum.

Mehr als 1000 Menschen wollen sich heute rund um das Karlsruher Schloss versammeln, teilte das "Bündnis für Demokratie und Menschenrechte Karlsruhe" mit. Dem zivilgesellschaftlichen, überparteilichen Bündnis gehören 55 Gruppierungen an, darunter auch Kirchen und Religionsgemeinschaften.

Bei der Veranstaltung ab 18 Uhr soll es den Angaben zufolge auch um die Bedrohungen gehen, denen die freiheitlich-demokratische Grundordnung heute ausgesetzt sei. Sobald die etwa 650 Meter lange Menschenkette geschlossen sei, werde dies durch eine Fanfare von Blasmusikern des Badischen Staatstheaters verkündet werden. Danach soll auf dem Schlossplatz gemeinsam gefeiert werden.

Zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes haben auch leitende Geistliche  der EKD die Bedeutung des Verfassungswerks gewürdigt. Die Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Kristina Kühnbaum-Schmidt, rief dazu auf, täglich für die Demokratie einzutreten. Das wäre das schönste Geschenk, das man dem Grundgesetz zum 75. Geburtstag schenken könnte, sagte sie laut einer Mitteilung der Nordkirche vom Dienstag. Kühnbaum-Schmidt sagte, Forderungen von Bürgerrechtlern der ehemaligen DDR, aus dem Grundgesetz per Volksabstimmung eine Verfassung zu machen, wie es der Artikel 146 des Grundgesetzes vorsieht, seien überlegenswert. Eine solche gesamtdeutsche Abstimmung wäre ein deutliches Zeichen für die tatsächliche Einheit von Ost und West.

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, lobte die vom Grundgesetz vorgesehene Rolle der Kirchen. Zwar sei in der Verfassung die Trennung von Staat und Kirche verankert. "Zugleich wird darauf gesetzt, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften mit dem Staat zusammenarbeiten", erklärte Jung in Darmstadt. Diese Kooperation habe sich in den vergangenen 75 Jahren bewährt.

Wulff fordert Feiertag für Grundgesetz

Einen gesetzlichen Feiertag zu Ehren des Grundgesetzes will Altbundespräsident Christian Wulff einführen. Wulff (CDU) wünscht sich den 23. Mai den Verkündungstag des Grundgesetzes als einen nationalen Feiertag. "Dieses Grundgesetz ist die Grundlage, dass es uns allen so gut geht und weiterhin gut gehen wird. Deswegen sollten wir den Tag feiern", sagte Wulff am Dienstagabend beim Hanns-Lilje-Forum in der hannoverschen Neustädter Hof- und Stadtkirche. Dieser neue Feiertag solle dann einen bestehenden ersetzen.

Wulff würdigte die Väter und Mütter des Grundgesetzes als "visionär". Sie hätten nicht nur Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit vorausgedacht, sondern auch die Wiedervereinigung und das vereinte Europa. Nach seiner Einschätzung wären sie heute verblüfft über diese Erfolge - aber auch "erschüttert, dass das Vergessen das Erinnern besiegen kann".

In Deutschland sei "aus Trümmern eine Goldgrube entstanden", sagte Wulff. Solche Geschichten von politischem und wirtschaftlichem Erfolg Deutschlands erzähle jedoch kaum jemand. Auch eine Zukunftserzählung fehle Deutschland. Die Stimmung sei "aggressiv aufgeladen" und die AfD zeichne "das falsche Bild von einem verkommenen Land".

Kritik an verankerten Erbschaftsteuer-Privilegien

Eine Gruppe von Prominenten aus Kultur, Wirtschaft, Justiz und Wissenschaft  übt zum Jubiläumstag Kritik am Grundgesetz und fordert eine grundlegende Reform der Erbschaftsteuer. An dem am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Aufruf unter dem Titel "Weil das Grundgesetz zählt" beteiligen sich unter anderem der Musiker Peter Fox, die Sozialrechtsexpertin Franziska Vollmer und der Immobilienunternehmer Josef Rick. Organisiert wird die Kampagne von der Bürgerbewegung Finanzwende.

Fox kritisierte die Steuergesetzgebung als ungerecht: "Auf Arbeitseinkommen werden hohe Abgaben verlangt. Aber wenn große Vermögen vererbt werden, gibt es Ausnahmen, sodass keinerlei Steuern gezahlt werden." Die Initiator:innen kritisieren vor allem die zahlreichen Erbschaftsteuer-Privilegien für Betriebsvermögen. Die Ausnahmen im Steuerrecht für Superreiche kosteten den Staat jährlich fünf Milliarden Euro.

Deutsche Gerichte hätten bereits dreimal die Verfassungswidrigkeit der Erbschaftssteuer festgestellt, heißt es in dem Aufruf. Zahlreiche Hintertüren in der aktuellen Regelung bewirkten, dass größere Vermögen geringer besteuert werden als kleine. "Das ist verfassungswidrig, denn es verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz", so die Initiator:innen.

Auch die Nichtregierungsorganisation Pro Asyl mahnt zum Jubiläumstag die Einhaltung des Grundgesetzes an - speziell die des Grundrechts auf Asyl. "Nie wieder sollte die staatliche Gewalt in Deutschland Menschen ihrer Würde berauben. Und nie wieder sollten diejenigen, die aus ihrem Land flüchten müssen, vor verschlossenen Grenzen stehen. Beides drückt sich aus in der im Grundgesetz festgeschriebenen Verpflichtung allen staatlichen Handelns, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen", heißt es im Aufruf.