TV-Tipp: "Praxis mit Meerblick: Schiffbruch"

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26. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Praxis mit Meerblick: Schiffbruch"
Wenn scheinbar nichts die Idylle trüben kann, ist zumindest im Film das nächste Drama nur eine Frage der Zeit. In der dritten neuen Episode aus der stets sehenswerten Reihe mit Tanja Wedhorn haben Nora Kaminski und Lebensgefährte Max (Bernhard Piesk) zunächst allen Grund zu unbeschwert guter Laune.

Der Pränataltest der Ärztin, deren Schwangerschaft in ihrem fortgeschrittenen Alter mit erheblichen Risiken belastet ist, war negativ, das gemeinsame Kind ist gesund. Die fröhliche Kajaktour wird jäh unterbrochen, als sie Hilfeschreie hören: Ein Mädchen und ein Junge haben Piraten gespielt, der Junge ist vom Floß gestürzt und treibt leblos auf dem Wasser. Max holt ihn raus, Nora kann ihn erfolgreich reanimieren, beide Kinder kommen ins Krankenhaus. Dort stellt sich rasch raus, dass der Junge außer einer harmlosen Kopfwunde wohl auf ist. Große Sorgen bereitet dem ärztlichen Klinikleiter Heckmann (Patrick Heym) und seiner Kollegin Pirsich (Anne Werner) dagegen das Mädchen: Louisas Blutwerte sind alarmierend schlecht. 

Nun entfaltet Michael Vershinin, der gemeinsam mit Lars Albaum auch das erste "Praxis mit Meeblick"-Drehbuch für die 2017 gestartete Reihe geschrieben hat, eine Krankengeschichte, deren Ursache allerdings keineswegs körperlicher Natur ist. Im Zentrum der Handlung stehen drei Eltern mit jeweils eigenen Geschichten: Oksana Kovalenka (Janina Elkin) ist vor zwei Jahren mit ihrem Sohn Kyrill aus der Ukraine nach Deutschland geflohen; ihr Mann ist im Krieg gefallen. Louisas Eltern haben die beiden aufgenommen und ihnen ihr Ferienhaus überlassen, die beiden Kinder haben sich angefreundet. Umso unerklärlicher sind die Symptome, die das Mädchen seither zeigt. Aus irgendeinem Grund ist ihr Immunsystem erheblich geschwächt, Infektionen haben daher leichtes Spiel; die Diagnose weist zweifelsfrei auf eine Hirnhautentzündung hin. 

Regisseur der letzten beiden Filme war Jan Růžička; er hat die Reihe mit 14 Episoden geprägt wie sonst kaum jemand. "Schiffbruch" (Episode 21) ist der erste Beitrag von Franziska Hörisch; sie hat mit Wedhorn bereits bei der ZDF-Serie "Fritzie – Der Himmel soll warten" zusammengearbeitet und für den Freitagsfilm im "Ersten" zwei Folgen für die Reihe "Der Ranger" gedreht. Ihre Inszenierung entspricht dem gewohnten "Praxis mit Meerblick"-Muster mit schönen Bildern von Himmel und Meer sowie ansprechenden Leistungen der Ensemble-Mitglieder, aber auch mit den unvermeidlichen Popsongs, wenn’s emotional werden soll. Größeres Manko ist jedoch die Besetzung der wichtigsten weiblichen Gastrolle, auch wenn das nur bedingt Alma Leiberg anzulasten ist: Sie versieht ihre Rolle von Anfang an mit einer Kühle und Distanz, die keinen Zweifel daran lässt, dass Louisas Mutter erheblichen Anteil an den gesundheitlichen Problemen der Tochter hat. Das ist schade, denn auf diese Weise büßt der Film deutlich an Spannung ein, schließlich ist die Suche nach der eigentlichen Ursache für die Krankheitssymptome ein wichtiger Motor der Handlung. Trotzdem bleibt natürlich die Frage, was sich tatsächlich auf dem Floß zugetragen hat.

Harmonisch integriert sind wie stets in dieser besonderen Reihe auch die diesmal vorwiegend heiteren Nebenhandlungen: Kubatzky (Michael Kind) nimmt sich eines verletzten streunenden Hundes an, wird prompt von Flöhen befallen und muss sich deshalb von einem seiner heißgeliebten Ballonseideblousons verabschieden; zum Glück hat er damals gleich drei gekauft. Derweil versucht sich Noras Praxispartner Stresow (Benjamin Grüter) mit einer an die berühmten Beckett-Zeilen ("Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern") erinnernden Hartnäckigkeit am Aufbau eines Gestänges für einen Pavillon: Um die Infektionsgefahr für die Kollegin zu mindern, soll das Wartezimmer in den Garten ausgelagert werden. Klara (Ruby M. Lichtenberg), die rebellische und wohl auch etwas eifersüchtige Tochter von Max, findet es allerdings egoistisch, Kinder in eine derart kaputte Welt zu setzen. Der sonst oft gern gönnerhafte Heckmann offenbart ein großes Herz, als er sich mit viel Empathie der Kinder annimmt; Hörisch hat die jüngsten Ensemblemitglieder, Marie Schöne und Tristan Weggen, ebenfalls gut geführt. Sehr sympathisch ist auch die Idee, verschiedene Szenen durch eine Taubenfeder aus Noras Haaren miteinander zu verbinden. Weil "Praxis mit Meerblick" außerdem Familienfernsehen in jeder Hinsicht ist, hat "Schiffbruch" noch einen Überraschungsgast zu bieten, der mit seiner Erkenntnis "Die einzige Konstante im Leben ist Veränderung" auch das Motto der Reihe formuliert.