TV-Tipp: "Vorübergehend glücklich: Vredenhorst"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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15. März, ARD, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Vorübergehend glücklich: Vredenhorst"
"Vorübergehend glücklich" hat der WDR die beiden Komödien überschrieben, die das "Erste" heute und nächste Woche zeigt. Schon allein die Dialoge sind ein Genuss, zumal Franziska Machens, Ensemblemitglied des Deutschen Theaters Berlin selbst komplizierte Formulierungen spontan und natürlich klingen lässt. Sie spielt eine Pharmavertreterin, die nach einem Seitensprung mit einem Kunden beurlaubt wird. Auch familiär läuft es dann nicht so prima, weil ihr Mann sie vor die Tür setzt.

Wer nach langer Abwesenheit in die dörfliche Heimat der Kindheit zurückkehrt, kennt das überraschende Phänomen, dass alles viel kleiner ist als in der Erinnerung. Damit lässt sich leben. Weniger schön ist die Feststellung, dass die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Für die Menschen meisten ist man nach wie vor "der Sohn von" oder "die Tochter von"; und Mitmenschen, die früher schon doof waren, sind es heute erst recht. Erschütternder ist jedoch eine andere Einsicht: Die Rückkehr offenbart schonungslos, wie viel Zeit mittlerweile vergangen ist. Damals waren wir noch Kinder, sagt die kluge Heldin zum einstigen Teenager-Freund, um zu erklären, warum ihre Liebe jene Jahre nicht überdauert hat. Nostalgie, erklärt die von Franziska Machens formidabel verkörperte Hauptfigur, "ist das Gefühl, dass früher mal alles besser war, weil du damals noch dachtest, dass später mal alles gut wird." 

"Vorübergehend glücklich" hat der WDR die beiden Komödien überschrieben, die das "Erste" heute und nächste Woche auf jenem Sendeplatz zeigt, der eigentlich für die Auftragsproduktionen der ARD-Tochter Degeto reserviert ist. Womöglich waren die Filme ursprünglich für den Mittwoch geplant, aber am Freitagabend, der ja keineswegs immer nur dem Zeitvertreib dient, sind sie ebenfalls gut aufgehoben. Schon allein die Dialoge sind ein Genuss, zumal Machens, Ensemblemitglied des Deutschen Theaters Berlin und viel zu selten vor der Kamera, selbst komplizierte Formulierungen spontan und natürlich klingen lässt. Um sie herum haben die Verantwortlichen diverse weitere Mitwirkende gruppiert, die mit Ausnahme von Rainer Bock als Vater von Sonja Stellbrink größtenteils unbekannt sind. 

Der Kern der Handlung lässt sich rasch zusammenfassen, aber was Thorben Hecht und Anneke Jansen (Buch) sowie Regisseurin Christine Rogoll daraus gemacht haben, ist höchst unterhaltsam: Sonja ist um die vierzig und erfolgreiche Pharmavertreterin eines Kölner Unternehmens.  Weil ihr bei einer Fachtagung ein Seitensprung mit einem Kunden unterlaufen ist, wird sie beurlaubt. Sie ist jedoch überzeugt, dass ihr Vorgesetzter bloß einen Vorwand gesucht hat, weil sie allzu neugierige Fragen zu einem neuen Demenzmittel gestellt hat: Die ersten Testergebnisse waren negativ, aber plötzlich soll alles super sein. Ehemann Lars (Camill Jammal) teilt ihre Ansicht zwar, setzt sie aber trotzdem vor die Tür, weshalb sie erst mal im beim verwitweten Vater im heimischen Münsterland unterkommt. Der alte Stellbrink hat von Lars ohnehin nie was gehalten und möchte die Tochter überreden, als zukünftige Nachfolgerin in seiner Apotheke zu arbeiten. 

Wie so oft in solchen Geschichten teilen sich die Daheimgebliebenen in zwei Lager auf: Die einen freuen sich über Sonjas Rückkehr, die anderen nicht, allen voran die Ehefrau von Jugendliebe Sascha (Tom Radisch), dessen Gefühle für Sonja nie erloschen sind. Friseurin Eva (Genija Rykova) rächt sich, indem sie allerlei Gift verspritzt und ihre Kundschaft auffordert, die Apotheke zu boykottieren. Gleichfalls zum Feindeslager gehört Schwägerin Maren (Sarina Radomski), die Sonja offenkundig noch nie leiden konnte.

Bruder Stefan (Hendrik Heutmann), ein Versager vor dem Herrn, steht heftig unterm Pantoffel der Gattin, die nicht müde wird, den beiden Kindern zu versichern, dass ihr Vater nichts auf die Reihe kriegt. Die Familie wohnt im Elternhaus der Geschwister, weshalb Sonja der Schwägerin schwerlich aus dem Weg gehen kann. Das gilt auch für ihre Mitmenschen: Running Gag des Films ist die Begrüßung "Wieder da?!", woraufhin Sonja geduldig, aber zunehmend genervt versichert, sie sei nur zu Besuch; schließlich hat sie die Kleinstadt früher als "Wartezimmer des Lebens" empfunden. 

Zwischendurch wird der Film ein bisschen zum Pharma-Krimi, weil der alles andere als mutige Lars mit Hilfe einer alles andere als feigen Kollegin (Antonia Breidenbach) Unterlagen entdeckt, die Sonjas Verdacht bestätigen. Als er mit der guten Nachricht nach Vredenhorst kommt, klärt ihn der Nachbarschaftsfunk (Petra Hartung) erst mal darüber auf, was "die kleine Stellbrink" beim Schützenfest mit ihrem Ex-Freund getrieben hat. Ein weiteres Krimi-Element kommt ins Spiel, weil aus der Apotheke regelmäßig Medikamente verschwinden, die unters Betäubungsmittelgesetz fallen. Das ist zwar ebenso wie der Pharmaskandal weit mehr als bloß eine Nebenebene, aber im Zentrum stehen Sonjas Konflikte mit Themen wie Heimat, Jugend und der von Sascha formulierten Erkenntnis, dass bereits die Hälfte ihres Lebens hinter ihnen liege; und zwar die bessere.