Von Weimarer Verhältnissen sind wir weit entfernt

Deutschlandfahne aus Puzzleteilen
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Deutschlands Parteiensystem mit der 5% Hürde sichert die Demokratie und setzt sich aus einer vielfältigen Parteenlandschaft zusammen.
Parteienforscher Lothar Probst
Von Weimarer Verhältnissen sind wir weit entfernt
Der Parteienforscher Lothar Probst sieht in den sich häufenden Parteigründungen keine Bedrohung für die Demokratie. Derzeit gebe es keinen Grund für Alarmismus, sagt der Politikwissenschaftler der Universität Bremen.

Alarmistischen Warnungen vor einer "Gefahr von ganz Rechtsaußen" möchte sich der Parteienforscher der Parteienforscher Lothar Probst nicht anschließen. "Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Ein Ministerpräsident Björn Höcke wäre nicht das Ende unserer Demokratie", sagt der Politikwissenschaftler der Universität Bremen in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst.  Weimar sei eine "Republik ohne Demokraten" gewesen. In der Bundesrepublik hingegen stehe eine große Mehrheit hinter der Demokratie und ihren Institutionen. 

Derzeit gebe es daher keinen Grund für Alarmismus, gefährlich werde es nach Ansicht des Politikwissenschaftlers der Universität Bremen erst, wenn eine Mehrheit der Bürger das Vertrauen in das System und dessen Institutionen verliere. Einer "Weimarisierung" des Parteiensystems wehre schon die in den Wahlgesetzen von Bund und Ländern verankerte Fünf-Prozent-Hürde, sagt Probst. Die Entwicklung spiegele überdies ein europäisches Phänomen und sei treffender als "Niederlandisierung" zu bezeichnen. "In den Niederlanden werden mittlerweile vier Parteien gebraucht, um überhaupt noch Koalitionen bilden zu können."

Auch in Italien, Frankreich und Österreich sei seit längerem zu beobachten, dass die Zustimmung für die Volksparteien nachlässt und neue Parteien in die Lücke stoßen, sagt Probst. In der Bundesrepublik habe die Fragmentierung der Parteienlandschaft schon mit dem Einzug der Grünen in den Bundestag (1983) und der PDS (1990) begonnen und setze sich über die AfD bis in die jüngste Zeit fort.

Indes ist nach Einschätzung des Politologen noch lange nicht ausgemacht, wie erfolgreich die im Januar gegründeten Parteien sein werden. Der Antritt des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei der Europawahl sei ein interessanter "Testballon". Der Blick nach Italien und Frankreich zeige jedoch, dass die Zustimmung für "Ein-Personen-Parteien" nach ersten Erfolgen schnell nachlasse.

Der Demokratischen Allianz für Vielfalt und Aufbruch (DAVA) rechnet Probst größere Chancen als früheren "Migranten-Parteien" zu. Mit dem novellierten Staatsbürgerschaftsgesetz könne die Zahl potenzieller Wähler steigen. Hierzu zählt Probst vor allem Menschen mit türkischem Migrationshintergrund. "Viele fühlen sich nicht vorrangig als Bürger der Bundesrepublik. Ihre Loyalität liegt nicht bei den deutschen Institutionen und unserem Parlament, sondern bei Erdogan und der Türkei."

Die aus dem Umfeld der CDU hervorgegangene Werteunion will sich Ende Februar ebenfalls als eigene Partei gründen. Damit wolle der Vereinsvorsitzende, Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, offenbar "die Prozente zusammenbringen, um der AfD an die Macht zu verhelfen", vermutet Probst.
Alarmistischen Warnungen vor einer "Gefahr von ganz Rechtsaußen" möchte sich der Parteienforscher jedoch nicht anschließen. "Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Ein Ministerpräsident Björn Höcke wäre nicht das Ende unserer Demokratie." Weimar sei eine "Republik ohne Demokraten" gewesen. In der Bundesrepublik hingegen stehe eine große Mehrheit hinter der Demokratie und ihren Institutionen.