TV-Tipp:"Die Notärztin"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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13. Februar, ARD, 20.15 Uhr:
TV-Tipp:"Die Notärztin"
Die ärztliche Heldin dieser Dienstagsserie, heißt es im ARD-Pressematerial, erlebe "emotionale Höhen und Tiefen, dramatische Notfälle und bewegende Dramen." Die neue Serie lebt vor allem von dem überezeugenden Schauspieltalent der Titeldarstellerin Sabrina Amali.

Diese Beschreibung gilt selbstredend für sämtliche Produktionen dieser Art; sie ließe sich eins zu eins auf die ARD-Freitagsreihen "Praxis mit Meerblick" und "Die Eifelpraxis" übertragen. Auch die neue Serie lebt vor allem von der Titeldarstellerin: Sabrina Amali, Schweizerin mit marokkanischen Wurzeln, hat hierzulande schon einige Male als Gast- oder Nebendarstellerin geglänzt. Dank ihr ist "Die Notärztin" selbst dann sehenswert, wenn Nina Haddad als Beifahrerin im Notarztwagen über ihre Erlebnisse während der Einsätze nachdenkt. Anders als die Kollegen von der Feuerwache kann und will sie die Ereignisse nicht an sich abperlen lassen, weshalb sie sich selbst nach Dienstschluss noch um die Menschen kümmert, die sie gerettet hat. 

Über das Vorleben der Anästhesistin erzählen die Drehbücher (Jan Haering, Tina Thoene) praktisch nichts. Sie lebt nur für ihren Beruf und nimmt sich sogar Arbeit mit nach Hause: Als eine überforderte Mutter (Janina Stopper) nach einem Suizidversuch im Koma liegt, kümmert sich Nina um die 14jährige Tochter. Emily wäre es am liebsten, wenn die Ärztin sie adoptieren würde, was unvermeidlich zu einer tiefen Enttäuschung führt; die junge Mila Voigt spielt das ausgezeichnet. Diese Ebene zieht sich ebenso durch alle Folgen wie die regelmäßigen Begegnungen mit dem obdachlosen Junkie Netto (Vincent Krüger) sowie die finanziellen Probleme von Rettungssanitäter Paul (Paul Zichner), der sich schließlich zu einer fatalen Dummheit hinreißen lässt. Andere Handlungsstränge sind in sich abgeschlossen, etwa die Geschichte vom eingebildeten Kranken (Daniel Zillmann), der sich beinahe täglich in die Notaufnahme bringen lässt. 

Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten erarbeitet sich Nina den Respekt der größtenteils kernigen Kollegen. Bloß die ehrgeizige Billy (Anna Schimrigk) bleibt auf Distanz und macht ihr klar, dass sie bei ihr nicht auf weibliche Solidarität hoffen braucht: Als einzige Frau im Team muss Billy mehr Kerl sein als die Männer um sie herum. Umso sympathischer sind die Szenen mit Markus (Max Hemmersdorfer), Typ klassischer Schürzenjäger, der für die Stimmung der Truppe zuständig ist und sein Glück natürlich auch bei Nina probiert.

Der Augenblick vor dem ersten Kuss in Folge vier ist ein kleiner und auf den Punkt inszenierter witziger Knüller (Jan Haering führte auch Regie), aber ansonsten ist die Umsetzung auch wegen der vielen Gesprächsszenen im Notarztwagen recht brav. Die sechs Episoden decken zwar von der Geburt bis zum Tod die ganze Palette des Lebens ab, doch dynamisch wird die Inszenierung nur, wenn sich die Kamera (Bildgestaltung: Lukas Steinbach) ins Getümmel stürzt. In diesen Szenen bekommt die Serie einen quasidokumentarischen Charakter und wirkt dank sorgfältiger Recherche und fachlicher Beratung sehr authentisch. 

Die Dramatik resultiert jedoch in erster Linie aus den Schicksalen, mit denen sich Nina auseinandersetzt. Auf dieser Ebene gibt es auch immer wieder Kontra, weil sich die Ärztin die Ereignisse zu Herzen nimmt und sich regelmäßig einmischt. Während Pauls Warnung, sie habe ein "zu großes Herz für den Job", gutgemeint ist, gibt es von Köster, dem Leiter (Johannes Kienast) der Feuerwache, einen veritablen Anschiss, als sie es seiner Ansicht nach wieder mal zu weit getrieben hat: "Wir sind der Rettungsdienst und keine Missionare." Besonders heikel ist ihr Engagement für eine Frau mit Kopfverletzung: Sie vermutet häusliche Gewalt, was sie auch dem zuständigen Arzt in der Notaufnahme mitteilt; der Ehemann wirft ihr Rufmord vor. 

Neben Amali sowie Max Hemmersdorfer als gutgelaunter Herzensbrecher ist vor allem die Leistung Paul Zichners bemerkenswert. Der anfangs unscheinbare Paul wirkt lange Zeit wie ein Getriebener, zeigt aber großes Format, als er Netto davor bewahrt, sich das Leben zu nehmen; auch die Szenen beim Gespräch mit einer Psychologin (Anna König) sind eindrucksvoll gespielt. Dank der sechs Folgen bieten sich den Ensemblemitgliedern ohnehin einige Gelegenheiten, ihren Figuren jenseits gewisser Stereotype andere Seiten abgewinnen; das gilt auch für Mark Zak als bärbeißiger Staffelführer, der in den Achtzigern hängen geblieben ist. In erster Linie ist "Die Notärztin" jedoch eine Verbeugung vor den Männern und Frauen, die tagtäglich ihr Leben riskieren und dafür nicht selten nur Undank ernten; von den Behinderungen durch Schaulästige ganz zu schweigen.