TV-Tipp: "Ein starkes Team: Der Tausch"

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6. Januar, ZDF, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Ein starkes Team: Der Tausch"
Das wird dem Mann eine Lehre sein. Was muss er auch samstags morgens um 9 Uhr mit seinem Laubbläser hantieren! "Den Kerl bring’ ich um!", empört sich ein unsanft aus dem Wochenendschlaf gerissener Anwohner, aber dazu kommt es nicht: Jemand anders sorgt dafür, dass Kai-Uwe Benrath nie wieder Lärm machen wird.

Der Mörder ist jedoch kein Nachbar, sondern stammt offenbar aus dem beruflichen Umfeld des Opfers: Benrath war Finanzprüfer und hatte entsprechend viele Feinde. Ein Verdächtiger ist trotz Wochenende rasch ausgemacht: Der Finanzbeamte hat vor einem Jahr einen Reiseveranstalter als Steuerhinterzieher entlarvt. Der Unternehmer hat ihn damals angegriffen, musste ins Gefängnis und ist kürzlich freigelassen worden; am Tatort war er auch. Nach nicht mal 15 Filmminuten scheint der Fall geklärt, bis sich rausstellt, dass der frühere "Cobra 11"-Star René Steinke bloß eine Gastrolle spielt; und jetzt geht die Geschichte erst richtig los. 

"Der Tausch" ist Episode Nummer 94 des im März 1994 gestarteten ZDF-Dauerbrenners "Ein starkes Team", aber so lange die Drehbücher derart gute Geschichten erzählen, kann die Reihe gern noch weitere dreißig Jahre laufen, wenn auch absehbar irgendwann nicht mehr mit Florian Martens: Das Urgestein der Reihe ist kürzlich 65 geworden.

Jürgen Pomorin, der die Reihe unter seinem Autorenpseudonym Leo P. Ard geprägt hat wie kein anderer, konfrontiert das Team rund um Otto Garber und Linett Wachow (Stefanie Stappenbeck) mit einem Fall, in dem es um Leben und Tod geht. Letzter Klient des Steuerprüfers am Freitagnachmittag war ein Händler, der Autos nach Afrika verkauft. Tarek Habib (Atheer Adel) war ebenfalls am Tatort, wie sich beweisen lässt. Benrath ist mit einem Gewehr erschossen worden, die Waffe findet sich in einem von Habibs Wagen.

Diesmal scheint die Sache endgültig klar zu sein, aber es sind nicht mal dreißig Filmminuten vergangen, und nun wird der Film zum Thriller: Benrath hat rausgefunden, dass der Autohandel als Geldwäsche für einen Clan dient, den die Polizei schon lange im Visier hat. Die Gangster entführen den Kollegen Klöckner (Matthi Faust), um ihn gegen Habib auszutauschen. 

Die Leistungen des Kern-Ensembles sind sehenswert wie stets, zumal diesmal auch Arnfried Lerche als Teamchef Reddemann das Revier verlassen darf. Ausgerechnet sein Einsatz kompliziert die Dinge allerdings, denn Garber hat zwar Wachow, aber nicht den Vorgesetzten eingeweiht, weshalb ausgerechnet Reddemann die Flucht Habibs während einer inszenierten Tatortbegehung vereitelt. Pomorins Drehbuch hat gleich mehrere Clous dieser Art zu bieten, denn die Handlung nimmt immer wieder verblüffende Wendungen; so gelingt Klöckner zum Beispiel zwar die Flucht aus seinem Gefängnis in einem verlassenen Haus, aber dann steigt er auf der Landstraße ausgerechnet in das Auto von Clan-Anführer Abbas Said.

Raymond Tarabay versieht den Mann mit einer reizvollen Mischung: Said ist ein hartgesottener Gangsterboss, der kaltblütig über Leichen geht, kann sich aber sehr überzeugend auch als freundlicher älterer Herr ausgeben. Die Gastrollen sind ohnehin interessant besetzt, unter anderem mit Rike Schmid als skrupellose Anwältin. Habib-Darsteller Atheer Adel hat zudem einen zweiten Auftritt, mit dem Pomorin dem Film zu einer weiteren unerwarteten Wende und schließlich einem fesselnden Finale verhilft, in dem Garber gleich zweimal in letzter Sekunde gerettet wird. "Der Tausch" hat ohnehin deutlich mehr spannende Szenen zu bieten als viele frühere Episoden, zumal ein weiterer Fluchtversuch Klöckners scheitert. 

Darüber hinaus erfreut der Film durch viele Details, die zum Teil fast satirisch wirken, darunter das selbstzufriedene Lächeln Benraths, als er Punkt neun den Laubbläser anwirft, oder die Wildkamera im Vorgarten, mit der eine Nachbarin rausfinden will, wer heimlich seinen Müll in ihren Tonnen deponiert. Die Aufnahmen zeigen unter anderem ein Wildschwein; immerhin kommt die Polizei dem Mörder auf diese Weise überhaupt erst auf die Spur.

Regie führte Ulrich Zrenner, der gemeinsam mit dem nicht minder erfahrenen Kameramann Wolf Siegelmann für eine besondere Bildsprache gesorgt hat. Eine Zeitlang waren die Filme der Reihe betont unterkühlt, gerade die Revierszenen zeichneten sich durch einen sachlichen blauschwarzen Farbtonfall aus. Das ist diesmal ganz anders: Meist herrscht ein betont warmes Licht, selbst Klöckners Gefängnis wirkt auf diese Weise fast behaglich, und die Zwischenschnitte mit ihren atmosphärischen Berlinbildern haben das Flair nostalgischer Ansichtskarten.