TV-Tipp: "Der zweite Kurzschluss"

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31. Dezember, ARD, 18:30 Uhr
TV-Tipp: "Der zweite Kurzschluss"
Einer der ungewöhnlichsten Fernsehfilme des letzten Jahres war auch der kürzeste: In dem heiteren Duett "Kurzschluss" werden ein Mann und eine Frau in der Kleinstadt Moosbach aufgrund eines technischen Defekts an Silvester im Vorraum der einzigen Bankfiliale eingeschlossen.

Im wahren Leben kann die Zeit in solchen Fällen ganz schön lang werden. Die im Auftrag des WDR entstandene Produktion dauerte nur knapp dreißig Minuten, aber vermutlich wäre es Anke Engelke und Matthias Brandt problemlos gelungen, auch eine Stunde im Nu verfliegen zu lassen. Für die inhaltlich nicht ganz korrekt betitelte Fortsetzung "Der zweite Kurzschluss" ermöglicht Autor Claudius Pläging dem Duo eine weitere Begegnung, zwar wieder an Silvester, doch diesmal unter gänzlich anderen Bedingungen.

Im ersten Film hatte sich rausgestellt, dass Geschäftsmann Martin und Bürgermeisterin Bettina einst dieselbe Schule besucht haben; tatsächlich war er damals sogar ein bisschen in sie verliebt. Die anfangs eher feindselige Stimmung innerhalb der Schicksals- und Zwangsgemeinschaft wandelt sich zu gegenseitiger Zuneigung, und da beide Single sind, ließ der Schluss darauf hoffen, dass sie sich wiedersehen. 

Das tun sie auch, allerdings erst exakt ein Jahr später: Weil Martin nichts mehr von Bettina gehört hat, ist er in der Hoffnung, sie auf der offiziellen Silvesterfeier des Ortes zu treffen, wieder nach Moosbach gekommen. Nach dem Feuerwerksdebakel im Jahr zuvor hat sie ihr Amt als Bürgermeisterin verloren und prüft nun, wie sie wiederholt beteuert, mehrere Angebote. Außerdem will sie an ihrer "Work/Life-Balance" arbeiten, was ihr jedoch bloß Hohn und Spott einbringt, weil das alle sagen, die keine Ahnung haben, wie’s weitergeht.

Zur Feier in der Turnhalle, an der sie keinerlei Interesse hat, ist sie aus purem Trotz gekommen. Weil Martin ihr ritterlich gegen die Anfeindungen weiterer Partygäste (Thorsten Merten und Julika Jenkins) beisteht und dabei selbst vor einem Nasenstüber nicht zurückschreckt, sieht sich das Paar prompt in die Enge getrieben. Die beiden verbarrikadieren sich im Aufsichtsraum der Halle und fristen ihr Silvesterdasein nun zwischen Turnmatten und Pokalen, während die Belagerer schweres Geschütz auffahren.

Besonders großen Respekt hat Martin vor einem zu Schulzeiten ob seiner Stiernackigkeit bloß "Nacken" (Enno Kalisch) genannten ehemaligen Mitschüler, der nicht den Eindruck macht, als ob er sich mit der Devise "Gewalt ist keine Lösung" beschwichtigen ließe. Theoretisch könnte das Paar nun wie schon ein Jahr zuvor seiner innigen Zweisamkeit frönen, aber die Belagerer lassen nicht locker: In dem Raum ist das Material für das diesjährige Feuerwerk gelagert. 

Wie schon der erste Film, so erfreut auch die Fortsetzung durch ihren Abwechslungsreichtum. Entsprechend angetan war Engelke vom Drehbuch: Was Martin und Bettina erleben, "ist mal überraschend, mal albern, mal besinnlich; und immer angenehm emotional". Regie führte diesmal Michael Binz, der ebenso wie Autor Pläging zum Umfeld der "Carolin Kebekus Show" gehört; das WDR-Unterhaltungsformat wird wie die "Kurzschluss"-Filme von der Produktionsfirma Bildundtonfabrik produziert, die auch die vielfach ausgezeichnete Netflix-Serie "How to sell drugs online (fast)" hergestellt hat.

Womöglich ging es Binz bei den Dreharbeiten ähnlich wie einem Trainer im Pokalfinale: Motivieren musste er seine beiden Stars sicher nicht, vielleicht sogar eher bremsen. Engelke war begeistert "von den 182 Gefühlszuständen", die ihr der Kollege entgegenspielte. Brandt wiederum versichert, er habe sich das ganze Jahr auf die Dreharbeiten zur Fortsetzung gefreut.

Allerdings hatten Binz und Kamerafrau Berta Valin Escofet dann doch mehr zu tun, als dem Duo dabei zuzuschauen, wie es seine Pointen raushaut. Tatsächlich ist "Der zweite Kurzschluss" nicht bloß inhaltlich, sondern auch optisch durchdacht: Selbst wenn sich die Handlung größtenteils in dem Nebenraum zuträgt, wirkt die Umsetzung nicht wie ein Kammerspiel. Schauspielerisch sind die knapp dreißig Minuten gerade auch dank Thorsten Morsten ohnehin ein Genuss.

Weil ein Prolog darüber informiert, was ein Jahr zuvor passiert ist, lassen sich die Anspielungen auf den ersten Film selbst dann verstehen, wenn man ihn nicht gesehen hat: Martin erlebt erneut ein Böllermalheur, und Bettina hat wieder Glückskekse dabei. Die Botschaft ist für beide identisch: Hinterher ist man immer schlauer. Trotzdem wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn aus den Begegnungen des Paars eine Silvestertradition würde.