TV-Tipp: "Wolfsland: Tote schlafen schlecht"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
28. Dezember, ARD, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Wolfsland: Tote schlafen schlecht"
Es dauert eine Weile, bis der Groschen fällt und "Butsch" Schulz endlich kapiert, dass sein Chef keineswegs unter die Verschwörungserzähler gegangen ist. Bis dahin wird dem Görlitzer Kommissar jedoch immer wieder die gleiche Frage gestellt, wenn er sich nach einem gewissen Didi erkundigt: "Wie der Komiker?"

Tatsächlich lässt sich "Didi" auch anders interpretieren, und dann geht es nicht mehr um eine Person, sondern um eine der gefährlichsten Banden Ostdeutschlands: Das "dreckige Dutzend", abgekürzt DD, englisch ausgesprochen Didi, ist zurück. Die Verbrecher haben bereits den nach ihr betitelten zwölften "Wolfsland"-Krimi (2022) geprägt und treiben nun ein weiteres Mal ihr Unwesen. Damals konnten Schulz und die Kollegin Delbrück (Götz Schubert, Yvonne Catterfeld) den Menschenhandel dieser kriminellen Vereinigung unterbinden, aber die Gruppe ist nach wie vor aktiv; und sie hat ihr Machtzentrum offenbar von Dresden in die Oberlausitz verlegt. Weil sich "Kessie" in Hamburg um ihre Mutter kümmert, ist Schulz weitgehend auf sich allein gestellt. Und schlimmer noch: Ausgerechnet seine neue Liebe, Staatsanwältin Konzak (Christina Große), scheint mit den Gangstern unter einer Decke zu stecken. 

Allein gegen die Mafia: Das ist selbstredend ein Thriller-Stoff. Die "Wolfsland"-Schöpfer Sönke Lars Neuwöhner und Sven S. Poser haben der Geschichte jedoch ein überraschendes Vorzeichen verpasst: "Tote schlafen schlecht" ist fast eine Komödie. Das beginnt schon mit der heiteren Fachsimpelei eines Polizeipärchens, das sich angesichts einer Leiche fragt, ob die Frau gestoßen worden, gefallen oder gesprungen sei; selbst wenn der Todessturz natürlich eigentlich nicht witzig ist.

In diesem Stil geht’s weiter, denn der Freund des Opfers ist ein Clown (David Ruland), der allerdings auch schon vor der Überbringung der schlechten Nachricht einen ziemlich bedröppelten Eindruck macht. Wie bereits im letzten Film ("Das schwarze Herz") wird Schulz regelmäßig im Treppenhaus von seinem scheinbar paranoiden Chef abgefangen. Diesmal nötigt Kommissariatsleiter Grimm (Stephan Grossmann) den Mitarbeiter gar zum konspirativen Zwiegespräch in der Toilette. Endgültig verstört ist der Ermittler jedoch erst, als der Vorgesetzte ihm im Keller seines Hauses das ganze Ausmaß der Verschwörung offenbart; und im Zentrum des verbrecherischen Organigramms lauert wie die Spinne im Netz niemand anderes als Anne Konzak. 

Kein Wunder, dass Schulz regelrecht aus der Spur katapultiert wird. Prompt weiß er nicht mehr, was er glauben und wem er trauen soll. Dass ihm Delbrück ausgerechnet jetzt nicht zur Seite steht, kommt erschwerend hinzu; den roten Faden des Films bildet eine lange Sprachnachricht, in der er ihr den Fall schildert.

Regie und Kamera, wie beim letzten Mal Ole Zapatka und Timo Moritz, setzen mit ihrer Bildgestaltung auch diesmal markante Akzente, die nun vor allem Schulz’ Befindlichkeiten illustrieren. Als Grimm ihn mit seinen gesammelten Erkenntnissen konfrontiert, verdeutlichen akustische Verfremdungseffekte die psychische Destabilisierung; den langen Monolog im geschützten Heim hat Moritz in ein heimeliges Bernsteinlicht getaucht. Davon abgesehen zeichnet sich der Film erneut durch das Bemühen um besondere Blickwinkel aus.

Anders als bei "Das schwarze Herz" bewegen sich Handlung, Bildgestaltung und Darstellung diesmal ausnahmslos auf dem gleichen hohen Niveau. Episoden-Star ist Valery Tscheplanowa als Kommissarin Lili Finck vom LKA Dresden, die Schulz über die wahre Identität des Mordopfers aufklärt: Es handele sich um eine interne Ermittlerin, die bis zu ihrer Enttarnung in den inneren Zirkel des "Dreckigen Dutzends" vorgedrungen sei und nach einem fingierten Ableben mit neuer Biografie in Görlitz untergetaucht sei. Das klingt plausibel; bis ausgerechnet Konzak die Geschichte in eine völlig neue Richtung schubst.

Bei aller Vielschichtigkeit bleibt dennoch Raum für Heiterkeiten. Es ist ein sympathischer Zug des Autorenduos, dass Kriminaltechniker Böhme und somit auch Schauspieler Jan Dose einen Teil des Freiraums okkupieren darf, den die Abwesenheit von Delbrück ermöglicht. Sein Solo zu Beginn, als Böhme den Tathergang rekonstruiert, ist ein kleines Kunstwerk. Die Idee, dass der Clown den Kommissar mit allerlei ungefährlichen Utensilien aus seinem Arbeitsalltag bewirft, ist ebenfalls recht originell. Gänzlich unnötig und diesmal gar ein Fremdkörper sind allerdings die Stippvisiten bei Mutter und Tochter Delbrück. Hätten Neuwöhner und Poser die Kommissarin stattdessen auf eine Fortbildung geschickt, würde dem Film nichts fehlen.