TV-Tipp: "Winterwalzer"

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8. Dezember, ARD, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Winterwalzer"
Der Freitag im "Ersten" ist auch nicht mehr das, was er mal war. Früher konnte sich die Zielgruppe auf neunzigminütige Ausflüge in heile Welten verlassen. Mittlerweile ist das anders: Der Sendeplatz spiegelt nicht nur die bunte Vielfalt der Gesellschaft wider, die Geschichten konfrontieren ihre Figuren oft auch genug mit existenziellen Fragen.

In "Winterwalzer" geht es gar um Suizid. Schon der Prolog lässt das Schlimmste befürchten, und die nun folgende Rückblende beginnt auch nicht lustig: Nach dem Tod seiner Frau vor drei Jahren hat der frühere Tanzlehrer Albert Gottwald (Ulrich Matthes) jede Lebensfreude verloren. Als dann auch noch der verhasste Hund von "Horrornachbarin" Gitte Pietsch (Petra Kleinert) heimtückisch das Rotkehlchen ermordet, das Gattin Martha liebevoll aufgezogen hat, will Albert einen Schlussstrich ziehen. Gas und Strom sind schon gekündigt, der Nachlass ist arrangiert, und mit einem Brief nimmt er quasi noch aus dem Grab heraus Rache an Frau Pietsch. Albert hat den Strick bereits um den Hals, als das Telefon klingelt; und dieser Anruf verändert alles. 

Vor der Kamera ist Edda Leesch nur noch selten zu sehen. Stattdessen schreibt die Schauspielerin seit zwanzig Jahren Drehbücher für sehenswerte Fernsehfilme; zuletzt hat sie unter anderem Horst Lichters Autobiografie "Keine Zeit für Arschlöcher!" adaptiert. Typisch für ihre Geschichten sind Alltagsbeobachtungen, die sie gern als Komödie verpackt, obwohl sie im Grunde Dramen sind.

"Winterwalzer" basiert auf ihrem eigenen Roman "Der Donnerstagsmann" und schildert, wie Albert ins Leben zurückfindet. Er und Martha besaßen früher eine Tanzschule, die nun von seiner Freundin und Kollegin Lizzy (Akiko Hitomi) geführt wird. Sie ist die Anruferin: Dem Tanzstudio drohe die Schließung, erzählt sie, weil sie sich das Knie verletzt habe und keine Kurse mehr geben könne. Selbstverständlich springt Albert als Ersatzmann ein, aber das ist nur die eine Hälfte des von seiner Tochter geschmiedeten Komplotts. Ina (Antonia Bill) ist Chirurgin an einer Klinik und bittet ihre Kollegin Hanne Hanken (Nina Kunzendorf) um Hilfe. Hanne ist Psychotherapeutin und soll sich um Albert kümmern. Weil der Vater keine besonders gute Meinung von ihrem Metier hat, soll sie ihn inkognito therapieren und sich als Tanzschülerin ausgeben. 

Natürlich ist absehbar, wie sich die Handlung entwickeln wird, schließlich beginnen romantische Komödien gern mit einer Lüge, die irgendwann auffliegt, weshalb diese Romanzen regelmäßig in Sichtweite des Happy Ends zu scheitern drohen. Diese Absehbarkeit tut der Qualität des herzerwärmend schönen Liebesfilms jedoch keinerlei Abbruch, zumal auch die Therapeutin, wie sich schließlich rausstellt, seelisch versehrt ist. Außerdem hat Leesch die Geschichte um einige Nebenebenen ergänzt, die ebenfalls viel Freude bereiten, allen voran ein Kleinkrieg am Gartenzaun. Der Film spielt zur Weihnachtszeit, Gitte Pietsch hat ihren Vorgarten nach allen Regeln der Weihnachtskitschkunst dekoriert; schon allein der Anblick treibt Albert auf die Palme. 

Ulrich Matthes, vielfach dekorierter Bühnenstar, aber auch als Filmschauspieler mehrfach ausgezeichnet (unter anderem mit dem Grimme-Preis), stand bislang ausschließlich in Dramen oder Krimis vor der Kamera, entpuppt sich hier als begnadeter Komödiant; herrlich gespielt ist schon allein die Szene, als er vergeblich versucht, den Brief an Frau Pietsch aus deren Briefkasten zu angeln und schließlich kurzerhand das ganze Gartentor mitnimmt. Nina Kunzendorf ist ihm eine ebenbürtige Partnerin, zumal Regisseur Ingo Rasper sorgsam darauf geachtet hat, dass nicht die Figuren, sondern die Umstände komisch sind.

Gerade die Tanzszenen enthalten viele kleine heitere Momente; vermutlich war es gar nicht so einfach für Kunzendorf, sich "hölzern wie Pinocchio" zu bewegen, wie Lizzy Hannes Darbietungen kommentiert. Matthes wiederum vermittelt sehr bewegend, wie Albert angesichts seiner Mission neue Lebensfreude entwickelt und beim Tanzunterricht regelrecht aufblüht.
Rasper war ohnehin die perfekte Wahl für diesen Film. Eine seiner letzten Arbeiten war die vortrefflich gespielte Freitagskomödie "Sterben ist auch keine Lösung" (2023, ARD) mit Walter Sittler als krebskranker Rentner, der sein Ableben mit Hilfe einer von Andrea Sawatzki gespielten Schwarzen Witwe beschleunigen will. Zuvor hat er "Lehrer kann jeder!" (2022, ZDF) gedreht, eine fröhliche Komödie mit Christoph Maria Herbst als arbeitsloser Mathematiker, der alles tut, um seine Frau zurückzugewinnen. Raspers früheren Freitagsfilme waren nicht minder sehenswert.