Nora Steen: "Müssen uns der Einsamkeit widmen"

Nora Steen umarmt ein Kind
© epd-bild/Tim Riediger
Nora Steen ist seelig nach der Wahl zur Bischöfin im Nordkirchen-Sprengel Schleswig und Holstein.
Neue Sprengelbischöfin
Nora Steen: "Müssen uns der Einsamkeit widmen"
Nora Steen, bisherige Leiterin des Christian-Jensen-Kollegs in Breklum, wurde kürzlich von der Synode der Nordkirche zur Bischöfin im Sprengel Schleswig und Holstein gewählt. Damit folgt sie auf Gothart Magaard und ist die erste Bischöfin des Sprengels. Am Sonntag, 5. November, wird sie offiziell ins Amt eingeführt. evangelisch.de hat mit ihr gesprochen.

evangelisch.de: Ihre Vorstellung vor der Synode haben Sie mit der Emmaus-Geschichte begonnen. Was sind heute Ihre persönlichen Emmaus-Momente?

Nora Steen: Das sind vor allem die Begegnungen mit Menschen, zum Beispiel auch in Breklum im Kolleg. Dort leite ich etliche Kurse und treffe auf ganz unterschiedliche Menschen in unserer Kirche. Ein Beispiel ist ziemlich aktuell. Vor zwei Wochen war ich bei einem Frauenfrühstück in Heide. Dort haben wir intensiv darüber gesprochen, was die Frauen an der Kirche begeistert und was ihr Herz für die Kirche brennen lässt. Dabei kamen ganz unterschiedliche Dinge zur Sprache. Zu erleben, was andere an Kirche freut, freut wiederum mich. Außerdem wurde darüber gesprochen, wie Corona das Leben als Gemeinschaft verändert hat. Früher hat man beispielsweise auch mal bei Bekannten einfach geklingelt. Das passiert heute nicht mehr. Dabei wurde es in der Gruppe sehr emotional.

In welchen Bereichen muss sich die Kirche Ihrer Meinung nach profilieren?

Nora Steen: Allgemein müssen wir zeigen, was uns in den Gemeinden, den Dörfern und den Städten auszeichnet. Welche Arbeit können nur wir als Kirche machen? Wo unterscheiden wir uns zum Beispiel von anderen Organisationen wie etwa dem Roten Kreuz oder Greenpeace? Dabei ist es natürlich wichtig, dass wir auch über unsere Gemeinden hinaus zusammenarbeiten, aber dafür dürfen wir nicht aufgeben und vernachlässigen, wofür wir stehen. Es gibt Dinge, die uns auszeichnen und als Kirche besonders machen. Das können und sollten wir auch zeigen.

Ein aktueller Punkt, in dem wir uns klar positionieren müssen, ist natürlich der Nahostkonflikt. Wir müssen deutlich zeigen, dass wir an der Seite Israels stehen. Dazu gibt es aus kirchlicher Sicht keine Alternative.

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In Rendsburg haben Sie gesagt "Wandel tut weh". Welchen Wandel muss die Kirche mitmachen und welchen nicht?

Nora Steen: Da fällt mir vor allem die starke Individualisierung ein. Immer mehr Menschen wollen ihr gesamtes Leben ausschließlich auf sich zuschneiden. Dabei dürfen wir aber nicht die Gesellschaft und die zwischenmenschlichen Beziehungen vergessen. Wir brauchen solche Beziehungen, auch wenn sie manchmal anstrengend sind und wehtun können. Wir als Kirche funktionieren nur als Gemeinschaft. Deshalb dürfen wir die Gemeinschaft nicht aus den Augen verlieren. Gleichzeitig müssen wir unsere gewachsenen Strukturen und Gemeinschaften prüfen. Welche Strukturen sind noch tragfähig und wo verausgaben wir uns, weil wir nicht loslassen können? Dabei habe ich zwei Ehrenamtliche im Sinn, die sich beide über ihre Grenzen belastet haben, um ihre Gruppe aufrechtzuerhalten. So etwas ist natürlich auch nicht gut.

Nora Steen will als Sprengelbischöfin neue Wege der Erreichbarkeit ausprobieren.

Der Sprengel Schleswig und Holstein ist sehr unterschiedlich aufgebaut. Wo können zum Beispiel die Städte von den Dörfern lernen und umgekehrt?

Nora Steen: Ein Bereich sind zum Beispiel die Kasualien. Natürlich wird es auf dem Dorf nicht möglich sein, eine Agentur wie in Hamburg oder Lübeck aufzubauen. Aber auch dort brauchen die Menschen die Möglichkeit, kirchliche Angebote wahrnehmen zu können, wenn etwa ein Taufe oder Trauung in der Familie ansteht. Welche Kanäle dort genutzt werden können, müssen wir noch ausprobieren. In Flensburg wird damit experimentiert, eine allgemeine Erreichbarkeit über WhatsApp anzubieten. Das könnte eine Möglichkeit sein. Ein Thema, dem wir uns ebenso widmen müssen, ist die Einsamkeit. Sowohl in den Städten, als auch in den Dörfern, wächst die Einsamkeit der Menschen.

Das bischöfliche Amt ist ja nicht nur ein Amt der Verwaltung, sondern auch ein geistliches Amt. Woher nehmen Sie Ihre geistliche Erdung?

Nora Steen: Das ist ein wichtiger Punkt. Da das bischöfliche Amt ein geistliches Leitungsamt ist, braucht es auch ein persönliches geistliches Leben, um gut leiten zu können. Ich habe seit fünf Jahren das Glück, in Schleswig-Holstein zu wohnen. Da ist das Wasser natürlich in der Nähe. Dabei ist es egal, ob es die Nordsee, die Schlei oder die Ostsee ist. Am Meer zu stehen, erdet mich und setzt mich und die Dinge ins Verhältnis. Dort sehe ich, dass ich nur ein kleiner Teil des Universums bin und meinen Teil im großen Ganzen tue. Das schafft nicht nur ein Verhältnis, sondern auch Demut. Außerdem braucht es auch persönliche geistliche Begleitung. Sich mit einem Menschen regelmäßig darüber auszutauschen, was auch beruflich passiert, ist äußerst wichtig.