TV-Tipp: "Wir haben einen Deal"

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23. Oktober, ZDF, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Wir haben einen Deal"
Der Mensch neigt dazu, unliebsame Erfahrungen und traumatische Erlebnisse in die Untiefen seiner Psyche zu verbannen; am liebsten in eine Kiste im hintersten Winkel. Das macht die Ereignisse natürlich nicht ungeschehen. Sie gären vielmehr vor sich hin und kommen mitunter erst Jahrzehnte später wieder zum Vorschein, wenn die Betroffenen nicht mehr damit rechnen.

Von solch’ einer Begebenheit erzählt Marie-Helene Schwedler in ihrem klug konzipierten Drehbuch: In dem Drama "Wir haben einen Deal" stürzt ein erfolgreicher Geschäftsmann und glücklicher Familienvater aus scheinbar heiterem Himmel in eine Lebenskrise. 

Der Film beginnt mit der Heimkehr Frank Lechners (Felix Klare) in den Ort seiner Kindheit vor den Toren Münchens. Recht bald wird deutlich, dass er offenbar nur selten hier war; um die kranke und nun verstorbene Mutter hat sich sein älterer Bruder Christian (Shenja Lacher) gekümmert. Frank will das geerbte Elternhaus so schnell wie möglich verkaufen, aber seine Frau würde es gern behalten.

Sabina (Patricia Aulitzky) ist Raumausstatterin, sie möchte das Haus renovieren und als Urlaubsdomizil nutzen. Frank lässt sich darauf ein; also verbringen sie und der neunjährige Sohn hier die Ferien. Tim wird Mitglied der von Christian trainierten Fußballmannschaft, und als sich dann auch noch rausstellt, dass Franks früherer Trainer, Klaus Wille (Peter Lohmeyer), ökologische Holzhäuser baut und Sabina gut brauchen kann, entwickeln sich die Dinge geradezu optimal; nur nicht für Frank. Dass Tim jetzt Fußball spielt, nimmt er mit gemischten Gefühlen auf; dass Sabina für Wille arbeitet, schockiert ihn geradezu. Als eine Auftraggeberin ein Gespräch mit den Worten "Wir haben einen Deal" beendet, wird Frank von einer Panikattacke überfallen.

Es lässt sich zwar erahnen, was in der Kindheit des von Felix Klare gewohnt intensiv und in jedem Moment glaubwürdig verkörperten Mannes vorgefallen ist, aber das Drehbuch umkreist das zentrale Thema des Films wie die Katze einen heißen Brei. Frank galt bis zu seinem zehnten Lebensjahr als großes Talent; dann beendete ein doppelter Beinbruch alle Hoffnungen, zum FC Bayern zu wechseln. Als er erfährt, dass sein Sohn mit der Mannschaft in ein Fußballcamp gefahren ist, will er Tim umgehend abholen, wobei es zum Handgemenge mit Christian kommt. Bei der Abfahrt sieht er, wie ein Junge aus Willes Auto steigt. Endlich findet er die Kraft, sich seinem dreißig Jahre alten Kindheitstrauma zu stellen und seiner Frau zu erzählen, was ihm der Mann einst angetan hat. 

Selbstverständlich beendet Sabina ihre Zusammenarbeit mit dem Bauunternehmer umgehend. Dessen Sekretärin (Johanna Bittenbinder) ahnt den Grund und gibt ihr die Zugangsdaten für eine passwortgeschützte Fotodatei auf dem Firmenrechner: Wille hat sein abscheuliches Treiben nie beendet. Sabinas Hinweis, er mache sich mitschuldig, wenn er nichts unternehme, führt bei Frank zu einem Sinneswandel, doch er steht mit leeren Händen da: Die Fotos sind gelöscht. Weil Wille, Ehrenvorstand des Vereins, ein angesehenes Mitglied der dörflichen Gesellschaft ist, kommt es prompt zur Täter-Opfer-Umkehr, zumal Frank seinen einstigen Peiniger krankenhausreif geprügelt hat; nun gilt er als Nestbeschmutzer, dem nicht mal der eigene Bruder glaubt. 

Felicitas Korn hat das Drehbuch angemessen behutsam und sensibel umgesetzt. Da die Kindheitserlebnisse für Frank aufgrund einer Mischung aus Schuld und Scham unaussprechlich sind, zeigt auch die Regisseurin nicht, was vorgefallen ist. Stattdessen bedient sie sich filmsprachlicher Elemente, um den psychischen Zustand zu illustrieren. Andeutungen wie etwa eine Hand, die sich auf ein Kinderknie legt, genügen in diesem Zusammenhang völlig. Dabei sagt der Mann den Satz, der auch den Titel bildet; und nun verwandelt sich der junge Wille in den alten Wille.

Franks Panikattacke wiederum findet vor allem auf der Tonspur statt. Dazu zeigt Korn Aufnahmen, mit denen der Film auch beginnt: Ein kleiner Junge rennt durch den Wald, als sei er auf der Flucht. Später greift die Regisseurin dieses Motiv auf, als Frank an einer Werbetafel mit Willes Konterfei vorbeifährt und nun ständig in den Rückspiegel schaut, als werde er verfolgt. Gegen Ende, als Frank im Vereinsheim von seinen Erinnerungen überwältigt wird und der aus der Perspektive eines Zehnjährigen gefilmte Täter wie ein Riese wirkt, wandelt sich die Inszenierung kurz fast zum Horrorfilm. Für Menschen, denen als Kind Ähnliches widerfahren ist, ist diese Szene vermutlich kaum auszuhalten.