Salman Rushdie plädiert für Freiheit der Literatur

Friedenspreisträger Salman Rushdie im Congress Center der Messe Frankfurt
© epd-bild/Michael Schick
Pressegespräch mit Friedenspreisträger Salman Rushdie während der Buchmesse in Frankfurt am Main. Am Sonntag erhält der Schriftsteller den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Friedenspreisträger 2023
Salman Rushdie plädiert für Freiheit der Literatur
Der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie (76) hat auf der Frankfurter Buchmesse für die Freiheit der Literatur plädiert. Es tue ihm leid, dass junge Autorinnen und Autoren aufgrund kultureller Bedenken Unsicherheit beim Schreiben empfänden.

Das sagte der diesjährige Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels am Freitag in Frankfurt am Main. Wenn jede und jeder nur noch über die eigene soziale oder kulturelle Zugehörigkeit schreiben dürfe, sei dies der Tod der Kunst. Die Kunst bestehe gerade darin, andere Figuren zu erfinden. Er wolle junge Autorinnen und Autoren dazu ermutigen.

In seinem eigenen Fall habe er den Mordaufruf des früheren iranischen Revolutionsführers Ayathollah Khomeini nie vergessen, sagte Rushdie. Ihm sei bewusst gewesen, dass ein Attentat geschehen könnte. Als er im vergangenen Jahr in den USA tatsächlich angegriffen und lebensgefährlich verletzt wurde, sei es doch überraschend gewesen. "Ich bin glücklich, noch hier zu sein", sagte Rushdie. "Es war knapp." Aber er sei grundlos optimistisch. "Bücherschreiben ist ein Akt des Optimismus."

Rushdie bezeichnete sowohl den "religiösen Faschismus" als auch die Zerstörung der Demokratie von innen als gefährliche Entwicklungen der Gegenwart. "Man muss gegen sie beide kämpfen", sagte er. Der Schriftsteller kritisierte, dass Regierungen Autoren vor Gericht anklagten, weil diese ihre Politik kritisierten, so wie in den Fällen von Roberto Saviano in Italien und Arundhati Roy in Indien. Zum aktuellen Krieg zwischen der Hamas in Gaza und Israel sagte Rushdie, er sei erfüllt von Entsetzen. Er lehne Krieg ab: "Unschuldige Menschen sterben." Er hoffe, dass die Feindseligkeiten baldmöglichst beendet würden.

Rushdie wird in Paulskirche ausgezeichnet

Rushdie lehnte die Vorstellung ab, dass Literatur eine Funktion zu erfüllen habe, etwa Gewalt zu überwinden. Wenn Literatur einen Nutzen haben sollte, dann den, Schönheit hervorzubringen und den Geist zu inspirieren, sagte er. "Literatur zeigt uns eine Welt von Offenheit und Vielfalt und Toleranz." Der Schriftsteller schloss: "Ich mag keine Bücher, die mir sagen, wie ich zu denken habe. Ich mag Bücher, die mich zum Denken anregen." Am Sonntag wird Rushdie der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche verliehen.

Salman Ahmed Rushdie (76) wurde 1947 im indischen Bombay (heute Mumbai) geboren. Mit 14 Jahren ging er nach England auf die Schule, wurde britischer Staatsbürger und studierte in Cambridge Geschichte. Zunächst arbeitete Rushdie als freier Journalist und Theaterschauspieler, wobei er seinen Lebensunterhalt als Texter in einer Werbeagentur verdiente. Nach seinem Romandebüt "Grimus" (1975) errang er mit seinem 1981 erschienen zweiten Roman "Midnight’s Children" ("Mitternachtskinder") internationale Bekanntheit und erhielt den renommierten britischen Booker Prize.

Für seinen 1989 erschienenen Roman "Die satanischen Verse" rief der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini zum Mord an dem Autor auf. Rushdie musste untertauchen und jahrelang im Verborgenen leben. Unterdessen schrieb er weiter Romane, darunter "Harun und das Meer der Geschichten" (deutsch 1990), "Des Mauren letzter Seufzer" (1995), "Wut" (2002), "Shalimar der Narr" (2006), "Joseph Anton. Die Autobiografie" (2012), "Golden House" (2017), "Quichotte" (2019). Rushdie schreibt auch Kurzgeschichten, Reiseberichte, Essays und journalistische Beiträge. Er verfasste Sachbücher wie "Sprachen der Wahrheit" (2021) oder den Sammelband "Überschreiten Sie diese Grenze" (2019).

Inzwischen lebt Rushdie in den USA und hat die US-Staatsbürgerschaft. Kurz nach Vollendung seines jüngsten Romans "Victory City" (erschienen 2023) wurde er bei einem Attentat im August 2022 im US-Bundesstaat New York lebensgefährlich verletzt, er verlor ein Auge.

Salman Rushdie gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller englischer Sprache. Seine Romane wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Sie handeln nach den Worten des Stiftungsrates des Friedenspreises von Verbindungen und Brüchen zwischen östlichen und westlichen Zivilisationen und sind oft auf dem indischen Subkontinent angesiedelt.