Entsetzen über Rechtsruck bei Landtagswahl

Mann mit AFD T-Shirt, von hinten gesehen, sitzt auf einem Stuhl.
© Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Verbände und Kirchen fordern wieder mehr Sachlichkeit in der Politik.
Kirchen und Verbände
Entsetzen über Rechtsruck bei Landtagswahl
Viele Vertreter von Kirchen, Verbänden und Religionsgemeinschaften sind entsetzt über das starke Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl. Sie befürchten eine weitere Vergiftung des politischen Klimas - und fordern Sachlichkeit statt Emotionen.

Vertreter von Kirchen und Verbänden haben erschrocken auf den Rechtsruck bei den Landtagswahlen in Bayern reagiert. Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sagte am Montag nach der Wahl, die Emotionalisierung des Landtagswahlkampfes sei "sicher nicht hilfreich gewesen".

Die AfD hat bei der Wahl ihr Ergebnis von 2018 deutlich verbessert. Sie kommt auf nun 14,6 Prozent der Stimmen (vorher 10,2) und wird im Fall einer Fortsetzung der Bayernkoalition von CSU und Freien Wählern stärkste Oppositionspartei.

Bedford-Strohm forderte eine Rückkehr zur Sachlichkeit nach dem stark emotionalisierten Wahlkampf. "Die Strategie, einfach nur die Sprüche zu kopieren, die die niedersten Instinkte der Menschen bedienen, anstatt Besonnenheit zu predigen, ist gescheitert", sagte er. Es sei Aufgabe aller demokratischen Parteien, "ganz klar gegen den Extremismus zusammenzustehen". Die Politik der Extremisten und Populisten zum Umgang mit Geflüchteten beispielsweise stehe "in einem tiefen Widerspruch" zu dem, "wofür das Christentum steht".

Der katholische Würzburger Bischof Franz Jung bezeichnete das starke Abschneiden der AfD in Bayern und auch in Hessen als "echten Warnschuss für die Politik". Die Menschen erwarteten Lösungen für Probleme und "kein parteipolitisches Gezänk". Es sei wichtig, "auf die Sachebene zurückzukehren" und den Wählerinnen und Wählern zu zeigen, "dass es möglich ist, eine echte Alternative für unser Land zu bieten", betonte der Bischof. Die Politik müsse dadurch das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückgewinnen, erläuterte Jung.

Der Geschäftsführer des Bayerischen Bündnisses für Toleranz, Philipp Hildmann, befürchtet wegen des guten Abschneidens der AfD eine weitere Verrohung der politischen Debattenkultur. Weil ihr künftig mehr Redezeit zustehe, bekomme die AfD noch mehr Gelegenheit für die Vergiftung des politischen und gesellschaftlichen Klimas. Es sei deshalb nun die gemeinsame Aufgabe aller demokratischen Parteien, sich in der Tonalität zu mäßigen und weniger auf Emotionen zu setzen - um eben solch eine weitere Verrohung zu verhindern.

Der Sozialverband VdK Bayern bedauerte am Montag nach der Wahl noch einmal, dass "die Debatte um Migration wichtige sozialpolitische Kernthemen im bayerischen Landtagswahlkampf überlagert" habe. Trotz ihrer Stimmenzugewinne stelle die AfD auch zukünftig für den Sozialverband VdK keinen Gesprächspartner zum Austausch über sozialpolitische Themen dar, stellte VdK-Vorsitzende Verena Bentele klar. Der VdK werde sich weiter "aktiv gegen das Erstarken fremdenfeindlicher und rechtsradikaler Tendenzen einsetzen".

Die Präsidentin des Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, sagte, das politische Klima in Bayern und im Bund sei rauer geworden. In der Gesellschaft sei ein Rechtsruck erkennbar, weshalb mehr politische Bildung nötig sei. Auch der Bayerische Realschullehrerverband (brlv) äußerte sich in diese Richtung. Der Rechtsruck unterstreiche "die Dringlichkeit politischer Aufklärung", um extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken und das Demokratieverständnis zu fördern, sagte brlv-Vorsitzender Ulrich Babl.

Der Deutsche Gewerkschafts-Bund (DGB) in Bayern forderte nach den "populistischen Äußerungen" rund um bundespolitische Themen eine Rückkehr zur Sachpolitik, sagte Landesvorsitzender Bernhard Stiedl: "Wieder einmal zeigt sich: Wer Populisten hinterherläuft, treibt ihnen Stimmen zu." Die Umweltaktivisten von "Fridays for Future" beurteilten das Ergebnis der bayerischen Landtagswahl als "erschreckend". Es sei das Ergebnis eines Wahlkampfs, in dem die Klimakrise relativiert und rechte Parolen salonfähig gemacht worden seien.

Die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch, sieht im guten Abschneiden "der rechtsextremen AfD" eine schwere Belastung für die Arbeit im neuen Landtag. "Minderheiten wie die jüdische Gemeinschaft werden so weiter verunsichert", sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Die künftige bayerische Staatsregierung müsse den Kampf gegen Extremismus mit allen Mitteln fortsetzen, erläuterte Knobloch weiter. Sie sei sich aber sicher, dass dies auch geschehen wird.

Bayernweit lauten die vorläufigen amtlichen Endergebnisse der Landtagswahl wie folgt: CSU 37,0 Prozent (2018: 37,2 Prozent), Freie Wähler 15,8 Prozent (11,6), AfD 14,6 Prozent (10,2), Grüne 14,4 Prozent (17,6), SPD 8,4 Prozent (9,7), FDP 3,0 Prozent (5,1). (00/3272/09.10.2023)