Kirchenpräsidentin: Rassismus wieder salonfähig

Susanne Bei der Wieden, Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche
© epd-bild/Heike Lyding
Susanne Bei der Wieden, Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche, ist besorgt darüber, "wie abwertend oder gar feindlich in Politik und Gesellschaft von Menschen gesprochen wird, die bei uns Schutz suchen."
Warnung vor neuer Spaltung
Kirchenpräsidentin: Rassismus wieder salonfähig
Die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche, Susanne Bei der Wieden, warnt zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober vor einer neuen Spaltung der Gesellschaft. Immer öfter würde zwischen den Interessen des sogenannten deutschen Bürgers und denen anderer Bevölkerungsgruppen unterschieden. Ein längst überwunden geglaubtes Überlegenheitsdenken erhalte so neue Nahrung.

"Rassismus und Diskriminierung werden wieder salonfähig. Dem müssen wir alle entschieden entgegentreten - aus Liebe zu unserem Land und unserer Heimat", sagte die Theologin in Leer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der 3. Oktober sei für sie ein Tag der Freude und der Dankbarkeit. "Ich habe noch immer Gänsehaut, wenn ich an die Bilder vom Fall der Mauer denke und an die Begegnungen zwischen Menschen aus dem Osten und Westen Deutschlands", sagte Bei der Wieden. Heute sehe sie die Einheit "gefährdet durch Menschen und Gruppierungen in unserem Land, die die Grundlagen eines demokratischen Rechtsstaates immer lauter infrage stellen oder diskreditieren."

Dies werde in der aktuellen Debatte um die Eingrenzung der Migration deutlich: "Mich besorgt, wie abwertend oder gar feindlich in Politik und Gesellschaft von Menschen gesprochen wird, die bei uns Schutz suchen - ähnlich wie auch von Angehörigen der LGBTQ+ Community." Rechte Gruppierungen zeichneten das Bild, Scharen fremdländischer Menschen kämen mit dem Ziel, die deutsche Kultur zu zersetzen.

Zunehmend gelangten rhetorische Figuren dieses Denkens in die Sprache. "Auch eine Gegenüberstellung von 'denen' und 'deutschen Bürgern' ist braune Spreche. Sie gießt Öl ins Feuer einer durch viele Faktoren aufgeladenen Spannung in der Gesellschaft. Sie bedient die platten Klischees derer, die einer offenen Gesellschaft misstrauen und Minderheiten ausgrenzen", warnte die Theologin.

Auch die Rede vom "christlichen Abendland" werde für solche Zwecke vereinnahmt. "Demokratie und Menschenrechte, das Wissen um die unantastbare Würde jedes Einzelnen sind die süßesten Früchte des christlichen Abendlandes", betonte Bei der Wieden.

Die deutsche Geschichte nach 1949 sei in vielen Bereichen ein Vorbild dafür, welchen Segen und welchen Wohlstand diese Werte mit sich brächten. Die Aufarbeitung der NS-Zeit und ganz besonders das mutige Eintreten für einen demokratischen Umbruch in der ehemaligen DDR seien Meilensteine auf diesem Weg. "Wir müssen alles daran setzen, uns diesen Schatz zu erhalten."