Bischöfin fordert selbstkritischen Blick

Streitbare Bischöfin Fehrs auf dem Kirchentag 2023
© epd-bild/Thomas Lohnes/Thomas Lohnes
Bischöfin Kirsten Fehrs trat mahnend auf beim Fachforum "Kirche und Rechtsextremismus im Norden". Sie machte deutlich, wie wichtig der selbstkritische Blick der Kirche auf die eigenen Strukturen und Strömungen sei. (Archivbild)
Kirche und Rechtsextremismus
Bischöfin fordert selbstkritischen Blick
Über Kirche und Rechtsextremismus diskutierten Historiker und Theologinnen bei einer Tagung der Nordkirche Anfang der Woche in Ratzeburg. Auch Bischöfin Kirsten Fehrs verweis darauf wie wichtig der selbstkritische Blick der Kirche auf die eigenen Strukturen und Strömungen sei. Menschen in der Kirche sollten gemeinsam "gegen Rechts, für Aufarbeitung, für Toleranz in den Frieden ziehen.

Um "Streitkultur und Rote Linien" innerhalb und außerhalb der Kirche ging es bei der Jubiläumsveranstaltung zum 10. Forum des Fachforums "Kirche und Rechtsextremismus im Norden" am 25. und 26. September 2023.

Bischöfin Kirsten Fehrs schilderte in ihrem theologischen Impuls anhand einiger Beispiele von Antisemitismus, aber auch anhand der folgenschweren, fremdenfeindlichen Angriffe von Neonazis in Lichtenhagen, Mölln und Lübeck in den 90er Jahren, wie dringlich die Aufgabe dieses Forums nach wie vor sei. Sie machte außerdem deutlich, wie wichtig der selbstkritische Blick der Kirche auf die eigenen Strukturen und Strömungen sei. Menschen in der Kirche sollten gemeinsam "gegen rechts, für Aufarbeitung, für Toleranz in den Frieden ziehen", sagte Fehrs.

Im Anschluss beschrieb Wolfgang Kraushaar, Politikwissenschaftler der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, die Radikalisierung von Teilen der gesellschaftlichen Mitte. Zentrales Element in der Arbeit gegen Rechts sei die aktive "Wehrhaftigkeit unserer Demokratie", so Kraushaar. Dieser diene zum einen der Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes, der auch Parteiverbote ermögliche. Zum anderen diene der Wehrhaftigkeit das Handeln der einzelnen Bürger:innen, die auf der Basis des Grundgesetzes z.B. auch das Recht hätten, in der Verteidigungssituation Widerstand zu leisten.

Letztlich wäre es jedoch am besten, wenn "die zentralen Probleme, die als Türöffner für die AfD fungieren, politisch gelöst werden könnten", sagte Kraushaar. Außerdem müsse das Ausmaß der demokratischen Legitimität dieser Partei beachtet werden. Dieser Status könne ihr erst dann entzogen werden, wenn sie "ihrer antidemokratischen Doppelstrategie" überführt werde.  

Auch die anschließenden Kommentierungen auf dem Podium verdeutlichten die Dramatik der aktuellen Lage. Der Beauftragte für den christlich-islamischen Dialog in der Nordkirche, Sönke Lorberg-Fehring, beschrieb unter anderem Vorurteile und Abwertungen gegenüber dem Islam und die Art der Kommunikation über diese Vorurteile innerhalb seines Arbeitsalltags.

Torsten Nagel, Einrichtungsleiter Regionale Beratungsteams gegen Rechtsextremismus beim AWO Landesverband Schleswig-Holstein e.V., beobachtet ebenfalls innerhalb seiner Beratungstätigkeit eine starke Zunahme von Rechtsextremismus. Angesichts der Ergebnisse der Studie "Die distanzierte Mitte" der Friedrich-Ebert-Stiftung, vorgestellt am 21.9.23, könne man nicht mehr von Brandmauern reden, sondern müsse "mehr tun". "Es ist fünf vor zwölf, dass die Zivilgesellschaft sich gegen Rechtsextremismus positioniert", sagte Nagel.   

Henning Flad, Projektleiter der Bundesarbeitsgemeinschaft "Kirche und Rechtsextremismus" in Berlin, fasste in seinem Grußwort den zentralen Punkt der Tagung zusammen: "Kirche und Rechtsextremismus – Kritik beginnt mit Selbstkritik; man kann nur Teil der Lösung sein, wenn man sich selbst als Teil des Problems begreift." 

Info:
Das 10. Forum "Kirche und Rechtsextremismus im Norden" wurde organisiert vom Vorbereitungskreis der AG "Kirche und Demokratie in der Nordkirche".