Ein Drittel der diakonischen Altenpflege fürchtet Insolvenz

Person wird im Rollstuhl über einen Flur gefahren
© epd-bild/Nancy Heusel
Laut Umfrage drohe einem Drittel der diakonischen Altenpflegeeinrichtungen in Hessen der finanzielle Ruin.
Umfrage in hessischen Einrichtungen
Ein Drittel der diakonischen Altenpflege fürchtet Insolvenz
Ein Drittel der stationären und ambulanten Altenpflegeeinrichtungen der Diakonie Hessen sieht die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit. Dies ist ein Ergebnis einer am Freitag in Mainz-Kostheim vorgestellten Umfrage mit den Antworten von 55 Altenheimen und 39 ambulanten Diensten der Altenpflege.

"Auch große Träger der Altenhilfe stehen mit dem Rücken zur Wand", sagte der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Hessen, Carsten Tag. Die Liquidität ist nach der Umfrage so knapp, dass 43 Prozent der Einrichtungen Leistungen nicht einmal für einen Monat vorfinanzieren können.

Drei Viertel der diakonischen Altenheime und die Hälfte der ambulanten Dienste waren laut der Umfrage gezwungen, ihre Leistungen in den vergangenen sechs Monaten einzuschränken. Entsprechend haben zwei Drittel der Altenheime trotz wachsender Nachfrage Betten unbelegt lassen müssen. Die Wiesbadener EVIM-Altenhilfe etwa habe ihr Platzangebot von 1.200 auf 1.050 verringern müssen und Wartelisten angelegt, sagte der Geschäftsführer Frank Kadereit. Neben den höheren Kosten wie für Energie, Lebensmittel und Mieten und der mangelhaften Gegenfinanzierung durch die Pflegekassen sei ein Hauptgrund dafür der Arbeitskräftemangel.

"Es gibt fast keine Bewerbungen", sagte die Leiterin des EVIM-Seniorenzentrums Kostheim, Angela Alt. Bis eine Fachkräftestelle wieder besetzt werden könne, vergehe ein Jahr. Die Pflegereferentin der Diakonie Hessen, Emilija Stefanov, bestätigte dies als Regel. Außerdem könnten Altenheime die Hälfte der Ausbildungsplätze nicht besetzen, bei ambulanten Pflegediensten blieben 80 Prozent der Ausbildungsplätze unbesetzt.

Die Kostheimer Pflegedienstleiterin Ulrike Köppen wies darauf hin, dass Zeitarbeitsfirmen Pflegekräfte abwürben. "Wir können mit deren Gehältern und Dienstwagen nicht mithalten." Das Seniorenzentrum sei immer wieder auf Zeitarbeitsfirmen angewiesen, "aber die sind sehr teuer und kennen die Bewohner nicht, können also nicht das Gleiche leisten." Die Überlastung der Pflegekräfte führe dazu, dass sie im Bundesschnitt nur 8,8 Jahre im Beruf blieben, beklagte Geschäftsführer Kadereit. "Wir brauchen in Hessen einen Schlüssel für 30 bis 40 Prozent mehr Personal."

Knapp bei Kasse wegen "überbordender Bürokratie"

Als einen bedeutenden Grund für die Geldknappheit gaben die Einrichtungen der Altenhilfe "überbordende Bürokratie" an. Wenn ein Antrag auf Änderung des Pflegegrades oder des Entgelts eines Bewohners gestellt werde, dauere es bis zum Bescheid häufig bis zu einem halben Jahr, erläuterte Stefanov aus der Umfrage. In der Zeit müssten die Einrichtungen und ihre Pflegekräfte in Vorleistung gehen, obwohl sie kaum Mittel und Zeit dafür hätten. Ein Drittel der Einrichtungen gebe sogar an, auf 25 bis 35 Prozent der Geldforderungen verzichten zu müssen.

Diakoniechef Tag forderte die hessische Landesregierung zu einem Sozialhilfegipfel auf. Die Rahmenbedingungen für die Pflege müssten dringend verbessert werden, sagte er. Pflegeeinrichtungen bräuchten mehr Personal finanziert, damit die Mitarbeiterinnen mehr Zeit für die Pflege am Menschen und verlässliche Freizeit bekämen. Das Land müsse sich am Ausbau der Einrichtungen beteiligen, etwa für barrierefreie Wohnungen oder die energetische Sanierung. Zudem solle das Land wie in Rheinland-Pfalz in jedem Landkreis einen Pflegestützpunkt zur Beratung pflegender Angehöriger einrichten.