TV-Tipp: "Mein Vater, der Esel und ich"

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26. Mai, ARD, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Mein Vater, der Esel und ich"
Wenn erwachsene Kinder im Film alte Rechnungen mit ihren Eltern begleichen, handeln die Geschichten meist von Müttern und Töchtern, mitunter auch von Vätern und Söhnen. Die Konstellation Vater/Tochter ist eher ungewöhnlich, weil beide nicht nur gemäß Sigmund Freud ein besonderes Band verbindet. Möglicherweise ist der Konflikt, von dem die Tragikomödie "Mein Vater, der Esel und ich" handelt, gerade deshalb ungewöhnlich.

Ein weiteres Komma – "Mein Vater, der Esel, und ich" – würde zwar die Präsenz von Titeltier Franz schmälern, käme der Sache allerdings deutlich näher, denn Hartmut Zeller (Günther Maria Halmer), von seiner Frau liebevoll "Bonanza" genannt, hat sein Familienleben komplett verbockt, weil ihm seine Karriere als Rockmusiker stets wichtiger war. Wobei: "Karriere" ist ein großes Wort. Eine Tournee hat ihn und seine Band "The Hardys" einst zwar sogar bis ins amerikanische Virginia gebracht, aber die Popularität der bayerischen Kombo beschränkte sich auf einen einzigen Hit; heute lebt Hartmut von den paar Euro, die er mit Auftritten in der Münchener Fußgängerzone verdient.

Als ihm Beugehaft droht, weil er seit einigen Monaten keine Miete mehr gezahlt hat, erinnert er sich an einen Vertrag, den er in grauer Vorzeit mit Gattin Luise (Irene Kugler) geschlossen hat, und so kehrt er zum ersten Mal nach vielen Jahren auf jenen Hof im Allgäu zurück, den sie von ihren Eltern übernommen hat. An einen Vertrag kann sich die von Tochter Tinka (Isabell Polak) betreute demente Frau allerdings nicht mehr erinnern. 

Für Günther Maria Halmer, sonst im ARD-Freitagsfilm gern als Grantler vom Dienst besetzt, ist der gealterte Rock-"Star" eine großartige Rolle, die er mit entsprechender Hingabe auslebt: Hartmut ist ein Egozentriker, der keine Skrupel hat, andere übers Ohr zu hauen, wenn’s dem eigenen Vorteil dient. Als sein Auto ohne Sprit auf einem Parkplatz stehen bleibt und er scheinbar großherzig einen gleichfalls gestrandeten Vater samt Tochter aufliest, geschieht dies nur, damit Nikos (Adam Bousdoukos) die Tankrechnung bezahlt. Die beiden wollen zum Abenteuerurlaub an den Bodensee, das kleine Mädchen soll dort lernen, seine Ängste zu überwinden. Allerdings macht Hartmut erst mal einen "klitzekleinen Umweg" durchs Allgäu: Er hat einst sein Erbe, immerhin 40.000 Mark, in die Renovierung des Bauernhauses investiert. Zum Dank hat Luise ihm Anteile am Besitz überschrieben. Als Tinka dämmert, dass ihr Vater nur wegen des Geldes gekommen ist, will sie nichts mehr mit ihm zu tun haben. Luise dagegen trägt Hartmut nichts nach: Er sei ein Hallodri, aber "gut fürs Gemüt". 

Das ist zwar ein potenzieller Dramenstoff, doch Melanie Brügel (Buch) und Imogen Kimmel (Regie) erzählen die Geschichte als vorwiegend heitere Familienkomödie, selbst wenn’s zwischendurch mal brenzlig wird, als Luise einen Zimmerbrand verursacht. Hartmuts Lage ist im Grunde gleichfalls nicht witzig. Das gilt auch für die Lüge, die Tinka ihrem Sohn (Zethphan Smith-Gneist) über dessen Erzeuger erzählt hat: Florian ist überzeugt, sein afrokanadischer Vater, der in München studiert hat, sei vor langer Zeit als Rettungsflieger bei einem Unglück umgekommen; tot zwar, doch wenigstens als Held gestorben. Die Wahrheit ist allerdings weit weniger heroisch. 

Wirklich aufregend ist das alles nicht, soll es aber auch gar nicht sein. "Mein Vater, der Esel und ich" lebt vor allem von der Frage, ob es Hartmut gelingt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen und sich zu läutern. Beides zugleich scheint nicht möglich zu sein. Wenn er eine Vermögensauskunft (im Volksmund Offenbarungseid) vermeiden will, muss er das Angebot von Tinkas Verehrer annehmen: Richard (Florian Odendahl) leitet die örtliche Bankfiliale und will Bürgermeister werden. Tinka ist Polizistin, mit ihr an seiner Seite wäre ihm die Wahl sicher, aber sie hat zwischenzeitlich Gefallen an Nikos gefunden; deshalb soll Hartmut dafür sorgen, dass der Mann weiterzieht. 

Gemäß den Gepflogenheiten des Sendeplatzes gibt es eindrucksvolle alpine Panoramabilder (Kamera: Guntram Franke), Sonnenaufgang inklusive, aber sehenswert ist der Film in erster Linie wegen Halmer. Der Oberbayer ist kürzlich achtzig geworden, wirkt jedoch unverwüstlich. Entsprechend glaubhaft kann Hartmut seine ehemaligen Band-Kollegen (Eisi Gulp, Dietmar Mössmer) zum Comeback überreden, immerhin sei er "jünger als Mick Jagger". Sympathisch ist auch die Gastrolle für Saskia Vester als Gerichtsvollzieherin mit Herz, die Hartmut erst in die Enge treibt und sich dann als größter Fan der "Hardys" entpuppt.