TV-Tipp: "Endlich Witwer: Über alle Berge"

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1. Mai, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Endlich Witwer: Über alle Berge"
Als sich Georg Weiser vor zwei Jahren mit seinem alten Camper auf den Weg nach Marokko machen wollte, ist er zunächst nicht weit gekommen.

Die Reise endete auf dem Bauernhof von Petra und Jürgen, mit denen er einst in der gemeinsamen Sturm-und-Drang-Zeit ein unzertrennliches Trio gebildet hatte. Die Jugendjahre endeten mit dem Ernst des Lebens: Beruf, Familie, Sackgasse. Die grandiose Tragikomödie "Endlich Witwer" (2019) begann mit dem Ende dieses zweiten Lebensdrittels. Den neuen Abschnitt dokumentierte der Film mit der Aufnahme eines von oben bis unten mit Bierflaschen gefüllten Kühlschranks. Die Fortsetzung, "Forever Young" (2021), erzählte mit der Reise in die Vergangenheit eine gänzlich andere Geschichte. Für Teil drei gilt das nicht minder.

Der Handlungskern erinnert an Marc-Andreas Bocherts "Krüger"-Filme mit Horst Krause: In "Krüger aus Almanya" und "Krügers Odyssee" überwindet ein alter Grantler aus Kreuzberg bei der Begegnung mit Türken und Griechen seine eingefleischten Vorurteile. Georg, eine Wunsch- und Traumrolle für Joachim Król, ergeht es ganz ähnlich, als er, immer noch Richtung Marokko unterwegs, einen Abstecher nach Gran Canaria macht, um die Erinnerungen an glückliche Familienurlaube aufzufrischen. Soweit kommt es aber gar nicht erst: Eine Frau klaut seine Jacke samt Autoschlüssel, Papieren und Geldbörse und entkommt auf eine Autofähre. Weil Georg kein Ticket hat und sich mit den Kontrolleuren anlegt, landet er schließlich auf La Gomera im Polizeigewahrsam. Dass er den Beamten (Gabriel Munoz Munoz) als "Reserve-Franco" beschimpft und seinen Daumen mit Stempelfarbe auf dessen Nase platziert, macht die Sache nicht besser.

Als ihm die Flucht gelingt, gewährt ihm eine deutsche Aussteigerkommune Asyl, aber die Mitglieder (Jürgen Tarrach, Katja Studt, Nina Vorbrodt) offenbaren eine derart diskriminierende Denkweise gegenüber den Einheimischen, dass selbst der spießige Georg davon abgestoßen ist.

Unerwartet schließt sich der Kreis zum Beginn des Abenteuers, als sich ausgerechnet jene Frau seiner annimmt, die die ganze Malaise ausgelöst hat: Dank Soleil (Dela Dabulamanzi) wandelt sich "Über alle Berge" zur klassischen Heldenreise. Die Senegalesin, die wie ein Phantom zu verschwinden pflegt und vier Sprachen spricht, wird zu Georgs Mentorin und hilft ihm bei seiner Läuterung. Der Witwer ist zwar nicht mehr der zynische Menschenfeind aus dem ersten Film, aber nach wie vor ein Choleriker, der eine ungute Mischung aus Trauer und Wut in sich nährt. Frei von Vorurteilen ist er selbstverständlich auch nicht. Soleil lässt sich jedoch nicht in die Flüchtlingsschublade stecken und macht ihm klar, warum er für sie "der Feind" ist: Die Weißen nehmen den Schwarzen ihre Musik, ihre Mode, ihre Naturschätze; "aber uns, die Menschen, die wollt ihr nicht."

Das klingt nach ganz schön viel Botschaft, doch davon ist der Film weit entfernt; dank des abwechslungsreichen Drehbuchs von Sathyan Ramesh und der flotten Umsetzung durch Martin Enlen bleibt die Tragikomödie auch in den ernsten Momenten vorwiegend heiter. Dafür sorgt neben der abwechslungsreichen Handlung vor allem das Ensemble: Dela Dabulamanzi versieht Soleil mit einer gewissen Ironie, Joachim Król verkörpert die zunehmend derangierte Hauptfigur bis an die Schmerzgrenze uneitel; und dann ist da ja noch Tristan Seith, der schon in "Forever Young" eine Schlüsselrolle spielte. Der vom Vater stets sträflich unterschätzte Sohn Gerd wird zum Retter in der Not, als es Georg endlich gelingt, ihn zu erreichen. Gerd soll mit Ersatzpapieren und Zweitschlüssel auf die Kanaren kommen, doch das ist angesichts eines Fluglotsenstreiks gar nicht so einfach. Und dann mischen sich auch noch die Gefühle ein, allerdings ganz anders als im letzten Film: Gerd, in Sachen Liebe ein notorischer Unglücksrabe, aber durch und durch heterosexuell, erlebt sein gewohntes Schicksal zum ersten Mal aus der anderen Perspektive, als ein Mitreisender (Denis Schmidt) sein Herz an ihn verliert. 

Die ausführliche Szene mit den beiden hätte das Zeug zum Drama, wird aber ähnlich versöhnlich aufgelöst wie die Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn. Sehenswert sind auch die Landschaftsaufnahmen, zumal Enlen und Kameramann Philipp Timme auf die üblichen Urlaubsbilder verzichtet haben. Die wallenden Nebel verleihen La Gomera eine beinahe mystische Atmosphäre, die Musik (Martina Eisenreich) ist ebenfalls besonders. Dazu passt die Begegnung mit einer uralten Frau, die Soleil und Georg "Frieden und Liebe" wünscht; ein Motto, dem sich schließlich zur allgemeinen Überraschung auch die einheimische Polizei anschließt.