TV-Tipp: "Der Masuren-Krimi: Marzanna, Göttin des Todes"

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16. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Masuren-Krimi: Marzanna, Göttin des Todes"
Ganz gleich, ob ein Krimi in der Provinz oder im Ausland spielt, es sind im Wesentlichen zwei Aspekte, die seinen Reiz ausmachen sollten: die einheimischen Sitten und Gebräuche sowie landschaftliche Besonderheiten oder Sehenswürdigkeiten.

Sonst könnte sich die Handlung ja auch in Hamburg oder Berlin zutragen. Deshalb beginnt der dritte "Masuren-Krimi" mit einer Sage: Einst hat sich Marzanna, in der slawischen Mythologie eine Göttin des Frühlings, in ihren Bruder verliebt, aber der war ein Tunichtgut und hat sie betrogen; deshalb hat sie ihre anderen Brüder aufgefordert, ihn zu töten. Eine Frau erzählt diese Geschichte, während sie in einem Boot sitzt; als sie zum Ende der Legende kommt, wird sie hinterrücks ins Wasser gezogen. 

Der Auftakt zu "Marzanna, Göttin des Todes" ist vortrefflich fotografiert, entpuppt sich allerdings als Alptraum eines jungen Mädchens. Der Nachtmahr war jedoch derart luzide, dass die 15jährige Lucja (Irene Böhm) überzeugt ist, sie habe einen Blick in die Zukunft geworfen, weshalb sie die Polizei informiert. Beim Opfer handelt es sich um ihre Psychotherapeutin: Lucjas Mutter ist vor drei Jahren am Abend des Marzanna-Festes unter mysteriösen Umständen ertrunken, angeblich hat sie sich das Leben genommen; darunter leidet das Mädchen bis heute. Es ist daher ein umso größerer Schock, als nach dem diesjährigen Fest erneut eine Bezugsperson stirbt: Auch die Ärztin wird tot im See gefunden; diesmal handelt es sich jedoch zweifelsfrei um Mord.

Die Krimiebene des Films ist dank des ungewöhnlichen Hintergrunds also schon mal reizvoll, aber die Hauptfigur ist ungleich spannender. Allerdings liegt die Premiere der Reihe bereits zwei Jahre zurück, was die Orientierung etwas erschwert. Wer die ersten beiden Filme nicht gesehen hat, wird sich fragen, welches Schicksal die brillante Berliner Kriminaltechnikerin Viktoria Wex (Claudia Eisinger) in die malerische masurische Seenplatte verschlagen hat: Die Ermordung ihres Mannes Felix hat sie vor einigen Jahren völlig aus der Bahn geworfen, ihr Arbeitgeber hält sie seither nicht mehr für diensttauglich. Natürlich lässt der Fall sie nicht los, zumal sie in den Akten auf allerlei Ungereimtheiten stößt. Außerdem entdeckt sie unter dem Schutzblech von Felix’ Fahrrad, das sie zufällig irgendwo im Gebüsch gefunden hat, einen Peilsender. Knüller dieses Handlungsteil ist der Schluss, der der Heldin komplett den Boden unter den Füßen wegzieht und clever die Neugier auf die Fortsetzung schürt.

Gemessen daran ist die Aufklärung des aktuellen Mordfalls fast schon TV-Alltag. Dass der Tod der beiden Frauen miteinander zusammenhängt, ist ohnehin keine Überraschung, und dass der modernen Kriminaltechnik winzigste DNS-Spuren genügen, um Fälle zu lösen, gehört ebenfalls zur Krimiroutine. Dank der ausführlich erzählten Sage ist auch klar, dass Eifersucht eine Rolle spielen muss. Vermutlich kommt noch Erpressung dazu: In einem Bootshaus entdecken Viktoria und Dorfpolizist Leon (Sebastian Hülk) ein Liebesnest mit Guckloch; entweder hat hier jemand seinem Voyeurismus gefrönt oder heimlich Aufnahmen gemacht. Auf einer Nebenebene entwickelt sich zudem ein Familiendrama. Interessanter sind allerdings die Parallelen zwischen Lucjas Traum und den Befindlichkeiten der faktenfokussierten Viktoria. 

Die wenig empathisch wirkende und stets in Schwarz- oder Grautöne gewandete Wissenschaftlerin, die für jeden emotionalen Vorgang eine neurobiologische Erklärung hat, wird regelmäßig von Hirngespinsten heimgesucht: Als im Rahmen des Frühlingsfests eine Marzanna-Strohpuppe verbrannt und in den See gestoßen wird, sieht sie ihren Mann im Wasser treiben; später liegt er auf dem Obduktionstisch. Dieser offenkundige Widerspruch zu ihrem ansonsten betont rationalen Verhalten bleibt selbstredend nicht ohne Folgen. Die kognitive Dissonanz führt schließlich zum Zusammenbruch; in diesem Moment erweist sich der bodenständige Leon als exakt der Freund, den sie nun braucht. 

Sehenswert ist "Marzanna, Göttin des Todes" auch wegen der ausgezeichneten Bildgestaltung; gerade die Lichtarbeit ist exquisit, zumal Kamerafrau Fee Strothmann das Volksfest nur durch natürliche Quellen illuminiert hat. Eine Werkstattszene erinnert mit ihrem Sepialicht an hundert Jahre alte Fotografien. Regie führte Sven Taddicken, der vor allem durch das betörend sympathische Liebesdrama "Emmas Glück" (2006) mit Jürgen Vogel und Jördis Triebel bekannt geworden ist und seither fast ausschließlich Kinofilme gedreht hat.