TV-Tipp: "Auris: Der Fall Hegel"

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28. Februar, RTL, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Auris: Der Fall Hegel"
Das Unsichtbare sichtbar machen - im Film ist das eine besondere Herausforderung. Regisseur Gregor Schnitzler stellt sich ihr in seiner Adaption eines Romans von Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch.

Im Grunde ist es unmöglich, Töne sichtbar zu machen. Natürlich lassen sich Frequenzen abbilden und musikalische Klänge in Farben verwandeln; doch das ist nicht das gleiche. Bei der Umsetzung von "Auris" standen die Verantwortlichen daher vor einem Problem. Die männliche Hauptfigur der Hörspiel- und Romanreihe von Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch ist ein Phonetiker mit einem übernatürlich feinen Gehör. Diese Gabe ermöglicht es Matthias Hegel, akustische Signale als dreidimensionale Bilder zu visualisieren; auf diese Weise sieht er, was andere nur hören. Weil er außerdem Psychiater ist, genügt ihm eine Stimmenprobe, um einen Menschen analysieren zu können.

Der Auftakt des ersten Films verdeutlicht diese Fähigkeiten, als er erkennt, dass ein Mann, der offenbar zwei Kinder töten will, letztlich harmlos und von der Polizei dank seiner Angaben leicht zu überwältigen ist. Die Einführung ist jedoch bloß eine Kostprobe, denn der Thriller erzählt eine völlig andere Geschichte. Sie trägt den Titel "Der Fall Hegel": Der Prolog endet mit dem Geständnis des Phonetikers, er sei ein Mörder; und damit beginnt ein Verwirrspiel, das bis zum letzten Dialogsatz für ständig neue Überraschungen sorgt.

Neben der verzwickten Handlung, die sich als genial eingefädeltes Komplott entpuppt, hat "Auris" (lateinisch für Ohr) einige weitere Aspekte zu bieten, die diese erste von möglicherweise drei weiteren Romanadaptionen sehenswert machen. Die beste Idee der Verantwortlichen war die Besetzung Hegels mit Juergen Maurer. Der Österreicher war schon in den ZDF-Reihen "Spuren des Bösen" (mit Heino Ferch) und "Neben der Spur" (mit Ulrich Noethen) mit seiner düster-melancholischen Aura der perfekte Gegenentwurf zu den beiden Hauptrollen.

Als ähnlich gute Wahl erweist sich Janina Fautz. Sie spielt eine junge Frau, die gerade erst für ihre Podcast-Reihe "Unschuldig verurteilt" ausgezeichnet worden ist. Jula Ansorge ist zunächst überzeugt, dass auch Hegel ein schreiendes Unrecht widerfährt: Warum sollte ein prominenter und zudem wohlhabender Psychiater eine obdachlose Frau mit 23 Messerstichen ermorden?

Bei ihren Recherchen prallt sie allerdings gegen eine Mauer des Schweigens: Hegel weigert sich, mit ihr zu sprechen, und auch über die Identität des Opfers ist nichts rauszufinden. Zum Glück hat Jula einen virtuellen Hacker-Freund, der sich Hadrian nennt und Türen öffnen kann, die anderen verschlossen bleiben. So findet sie schließlich raus, dass Hegel offenbar das Opfer einer Verschwörung geworden ist; doch die Wahrheit ist noch viel perfider.

Das allein wäre schon faszinierend genug, aber Jula leidet zudem unter einem Trauma: Während eines Aufenthalts in Buenos Aires vor drei Jahren ist sie von einem vermummten Mann vergewaltigt worden. Der Täter war nach Angaben der dortigen Polizei ihr eigener Bruder Moritz, der die Tat gestanden und sich anschließend in der Zelle erhängt hat.

Sie hat nie an seine Schuld geglaubt; daher rührt ihr Engagement für Menschen, die ihrer Ansicht nach zu Unrecht im Gefängnis sitzen. Das Trauma kehrt regelmäßig in Form von Alpträumen zurück. Außerdem leidet sie seit der Vergewaltigung, bei der ihr ein Wirbel gebrochen wurde, unter starken Schmerzen, obwohl die physische Wunde längst verheilt ist. Wer auch immer hinter dem Komplott gegen Hegel steckt: Er kennt Julas Geschichte und macht sich gnadenlos ihren wunden Punkt zunutze.

Der von Gregor Schnitzler inszenierte Film verliert nach dem mitreißenden Prolog zwar an Kompaktheit, aber die Geschichte gleicht das dank diverser verblüffender Offenbarungen etwa über die wahre Identität der vermeintlichen Obdachlosen locker wieder aus (Buch: Stefanie Veith, Michael Comtesse). Die hochwertige Bildgestaltung mit ihren verschiedenen Farbgebungen bleibt ohnehin besonders. Außerdem hat es Schnitzler geschickt verstanden, für eine Atmosphäre des ständigen Unbehagens zu sorgen. Die Kamera (Ralf Noack) zeigt das Geschehen und vor allem die Gespräche gern aus einer leichten Untersicht, eine Perspektive, die das Publikum in eine unterlegene Position zwingt.

Auch für die Herausforderung, das Unsichtbare sichtbar zu machen und den "Klangkörpern" eine Form zu geben, hat der Film eine interessante Lösung gefunden. Ein Manko sind zwar die nicht immer überzeugenden Leistungen der jungen Nebendarsteller, aber das vorzügliche Duo Maurer/Fautz ist dafür umso sehenswerter. Schnitzler und sein Team haben auch den zweiten "Auris"-Roman verfilmt; RTL zeigt "Die Frequenz des Todes" am nächsten Dienstag.