TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Der Todesritt"

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23. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Der Todesritt"
Schüsse, Schreie; dann Stille. Am nächsten Morgen stehen Stascha Novak und ihr Kollege Emil Perica (Jasmin Gerat, Lenn Kudrjawizki) vor einem Rätsel: Vinko Tudic ist durch eine Kugel aus seiner eigenen Waffe gestorben.

Selbstmord kann dennoch ausgeschlossen werden, aber es gibt auch keinen Hinweis auf die Anwesenheit einer weiteren Person, abgesehen von seinem Sohn: Der 13jährige Denis berichtet, sein Vater sei plötzlich wie von Sinnen gewesen. Anscheinend ist Vinko Tudic einem Gespenst begegnet; aber Gespenster schießen nicht.

Womöglich war es ja diese ausgesprochen perfide Methode eines fast perfekten Mordes, die den Ursprung für Ulf Tschauders drittes Drehbuch für den "Kroatien-Krimi" bildete; die beiden anderen haben der Reihe allerdings keine nennenswerten Impulse verliehen ("Tränenhochzeit", 2020, und "Die Patin von Privonice", 2021). Diesmal ist auch das Drumherum interessant: "Der Todesritt" ist ein Familiendrama, das mehr und mehr zur Tragödie wird. Die Handlung beginnt mit einem spätabendlichen Sorgerechtsstreit: Als Tudic erfährt, dass seine seit der Trennung vor neun Jahren in England lebende Ex-Gattin (Karin Hanczewski) eine Frau heiraten wird, will er Denis zu sich nehmen. Zu Ana Kalebs großem Verdruss ist ihre eigene Mutter (Eleonore Weisgerber) auf der Seite ihres ehemaligen Schwiegersohns. Anas Bruder Niksa (Sebastian Fräsdorf) wirft ihr ebenfalls vor, durch die Scheidung die Zukunft der Familie zerstört zu  haben: Die Tudics und die Kalebs betreiben beide eine touristische Pferde-Ranch, aber der Betrieb der Tudics ist deutlich größer, mondäner und professioneller geführt. Die Beziehung zwischen den Geschwistern ist ohnehin zerrüttet, seit der ältere Bruder von Ana und Niksa vor zehn Jahren unter dubiosen Umständen auf dem Hof ums Leben gekommen ist; das war der Anfang vom Ende.

Natürlich bietet Tschauder mehrere Verdächtige an, das gehört schließlich zum Krimirepertoire: Niksa hat den Toten gefunden, Ana war die ganze Nacht unterwegs, weil sie überzeugt war, der Ex habe Denis entführt, und am nächsten Tag treibt sich Vinkos Bruder (Simon Böer) am Tatort rum. Der Reiz dieser dreizehnten Episode liegt jedoch neben der Suche nach des Rätsels Lösung in Tolstois "Anna-Karenina-Prinzip: "Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich." Das Unglück der Kalebs ist in der Tat sehr speziell und selbstredend hausgemacht. Die Mutter greift auch schon mal zur Schrotflinte, um Konflikte zu lösen, und hat kein Verständnis dafür, dass sich ihre Tochter von Vinko getrennt hat, nur weil dem Mann hin und wieder mal die Hand ausgerutscht ist. 

Handwerklich bewegen sich die bislang ausnahmslos von Michael Kreindl inszenierten "Kroatien-Krimis" stets auf hohem Niveau. Diesmal arbeitete der Regisseur mit Hannes Hubach zusammen; der Kameramann ist ein Garant für sorgfältige Bildgestaltungen. Besonders eindrucksvoll sind die Rückblenden, die Denis’ Erinnerungen an das unglückselige Ereignis illustrieren. Die Szene trägt sich zwar im nächtlichen Nirgendwo zu, wo es eigentlich keine künstlichen Lichtquellen geben darf, aber wer weiß schon, was Tudic in seinem offenkundigen Wahn und der Junge in seinem Schock wahrgenommen haben; deshalb haben die Irrlichter, die die Szenerie wirkungsvoll illuminieren, ausnahmsweise ihre Berechtigung. 

Natürlich spielt auch der Schauplatz eine wichtige Rolle. Es wird kein Zufall sein, dass die Landschaft wie eine Western-Gegend wirkt, zumal die Beteiligten in der dalmatinischen Prärie meist zu Pferde unterwegs sind; auch Novak und Perica. Tatsächlich sind in dieser gern als "wildromantisch" bezeichneten Gegend unter anderem vor sechzig Jahren die Karl-May-Verfilmungen entstanden. Bei der Umsetzung haben Kreindl und Hubach zwar auf allzu offensichtliche Western-Anklänge verzichtet, zumal derlei leicht parodistisch wirken kann, aber Genre-Fans werden das eine oder andere gestalterische Element aus der großen Zeit des Italo-Western entdecken. Entscheidender sind jedoch die Darbietungen der Mitwirkenden. Gerade Lior Kudrjawizki macht seine Sache neben dem prominenten Rest des Ensembles richtig gut. Novak spürt sofort, dass Kollege Emil einen guten Draht zu Denis hat, und überlässt ihm die Befragung; die Szenen mit Vater und Sohn Kudrjawizki sind sehr bewegend. Wer dem "Kroatien-Krimi" schon länger die Treue hält, darf sich zudem darüber freuen, dass Tschauder auch die Geschichte von Branko Novak (Rufus Beck) weitererzählt: Staschas Vater droht wegen der Ermordung des Vergewaltigers seiner zweiten Tochter (Jenny Meyer) eine lange Gefängnisstrafe.