Russland nutzt Gender-Klischees zur Abwertung

Mädchen mit Gänseblümchen im Haar vor ukrainischer Flagge
© Anna Koberska/iStockphoto/Getty Images
Laut Politikwissenschaftlerin Lisa Gaufman setzt die russische Propaganda darauf, die Ukraine als schwache Frau da stehen zu lassen, und bedient sich Gender-Klischees.
Forscherin über Kriegspropaganda
Russland nutzt Gender-Klischees zur Abwertung
Die russische Propaganda setzt nach Beobachtung der Politikwissenschaftlerin Lisa Gaufman Geschlechter-Stereotype ein, um die Ukraine herabzusetzen.

So werde das Narrativ bedient, dass die Ukraine "eine schwache Frau ist und akzeptieren muss, was Männer ihr sagen", sagte die Forscherin von der Universität Groningen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Grundlage seien beispielsweise obszöne Lieder aus der Folklore.

Als Beispiel nannte Gaufman den Satz: "Ob es dir gefällt oder nicht, meine Schöne, du musst es erdulden." Diese Aussage hatte der russische Präsident Wladimir Putin Anfang Februar 2022 an die Ukraine gerichtet, um das Land auf Verpflichtungen aus den Minsker Abkommen hinzuweisen - zwei Wochen vor Beginn des russischen Angriffskriegs. Eine ähnliche Rhetorik sei in Russland in sozialen Netzwerken bereits 2014 nach dem Beginn der Kämpfe in der Ostukraine zu beobachten gewesen, sagte die Wissenschaftlerin, die in Tübingen promoviert hat.

Die ukrainische Nichtregierungsorganisation "Detector Media" hatte im September 2022 einen Bericht dazu veröffentlicht, wie der Kreml Desinformationen verbreitet. Demnach werden ukrainische Frauen im Kontext des Krieges oft beleidigend als "Khokhlushki" bezeichnet - als Prostituierte, die vermeintlich Krankheiten verbreiten. "Im Jahr 2014 war ein Narrativ über drei Schwestern - Russland, die Ukraine und Belarus - in russischen sozialen Netzwerken beliebt: dass zwei Schwestern gut sind und die Ukraine eine Prostituierte ist, die Männer zu sich holt", erklärt Gaufman. "Und jetzt wird es so dargestellt, als ob Russland sie rettet."

Nach Meinung der Politikwissenschaftlerin wurde dieses Narrativ zusammen mit der Behauptung, dass alle Ukrainer Nazis seien, von der russischen Propaganda effektiv instrumentalisiert. Die russische Bevölkerung solle so davon überzeugt werden, dass die Krim annektiert und Truppen in die Ukraine geschickt werden mussten. "Das Narrativ des Nationalsozialismus baut auf aggressiver Männlichkeit auf. Und wenn der Nazismus männlich ist und gefürchtet werden muss, dann braucht man eine elende Frau nicht zu fürchten, sie muss gerettet werden", so Gaufman.

Der Forscherin ist aufgefallen, dass nicht nur die Ukraine feminisiert wird, sondern auch die USA und ihre Politiker. Europa werde als Reich der Homosexualität - als "Gayropa" - dargestellt. Aktuell beobachtet Gaufman eine weitere Zuspitzung: Russische Propagandaerzählungen versuchten aus einem Gender-Kontext heraus, eine Satanisierung und Dämonisierung der Ukraine vorzunehmen.