Dorothee Sölle inspiriert die Jungen

Die Theologieprofessorin Dorothee Soelle beim Kirchentag in Frankurt 2001
© epd-bild / Nicola O`Sullivan
Dorothee Sölle zählte im 20. Jahrhundert zu den wichtigsten deutschen evangelischen Theologinnen. 20 Jahre nach ihrem Tod finden ihre Ideen weiterhin Nachhall.
Neues theologisches Netzwerk
Dorothee Sölle inspiriert die Jungen
Im Vorfeld des 20. Todestages von Dorothee Sölle erinnern Theolog:innen an die Ideenwelt der verstorbenen Dichterin und Theologin. Auch an der Uni Köln trafen sich Theolog:innen, um ein neues Netzwerk zu starten. In zahlreichen Vorträgen wurden Sölles Ansätze zu einer feministischen und kritischen Theologie zwei Tage lang diskutiert.

Bricht eine neue Ära der Dorothee Sölle-Rezeption an? Nicht nur viele Theolog:innen promovieren derzeit über die evangelische Theologin und Germanistin, die 2003 verstorben war. Jetzt wurde auch ein Forschungsnetzwerk über die streitbare Gelehrte an der Universität Köln neu gegründet.

Dort tauschten sich Wissenschaftler:innen beispielsweise über ihre Kapitalismuskritik aus. Sölles ökologische und feministische Ansätze könnten für heutige religiöse Suchende wieder interessant sein. Sowohl Sölles Promotion als auch ihre Habilitation waren germanistische Arbeiten - das hatte auch Auswirkungen auf ihre Theologie.

Bei einem ersten Treffen an der Uni Köln Anfang Februar ging es um frühe Arbeiten Dorothee Sölles: Ihre Nachtgebete in Köln und frühe Schriften aus den 1960er bis 1980er Jahren.

Die Theologin und Psychologin Katja Dubiski von der Uni Bochum zum Beispiel untersuchte Sölles Verknüpfung von göttlicher und zwischenmenschlich körperlicher Liebe in ihren Texten. Eine Ausrichtung, wie sie sonst in der Theologie kaum anzutreffen sei. Auf der Tagung in Köln referierte Dubiski über Sölles Blick auf den Religionsphilosophen Martin Buber.

Kann man lieben ohne Entwurf?

Sölle greift etwa Bubers These auf, dass Liebe bedeutet, man solle sich kein Bild machen, weil Bilder die Zukunft besetzten. Und wenn man sich ein Bild von einem Menschen mache, dann setze man ihn in der Vergangenheit fest. Hingegen gilt für die Liebe laut Sölle: "Der Mensch, der mehr ist als alle Bilder, wird ernst genommen. Ja erfahren, aufgenommen, zu sich befreit. Also geliebt - nur im Verzicht auf Bilder." So beginnt diese Reise zu den Ideen Sölles, die immer wieder sich auch auf andere Schriftsteller wie etwa Bert Brecht bezieht.

Sölle kommt nach Dubiski zu dem Schluss: Nicht die Liebe selbst, aber das eigene Lieben habe Grenzen. Doch kann man lieben, ohne einen Entwurf zu haben? Wenigstens einen vorläufigen? Auch ein Scheitern am Entwurf müsse nicht das Ende der Liebe sein.

Ein Tun aus Verantwortung

Wie Buber sieht sie: Liebe ist das, was zwischen ich und du geschieht. Es ist nicht statisch. Liebe ist Gegenwart. Für Buber wie auch Sölle ist Liebe ein Tun als Verantwortung. Und ähnlich wie Buber vertieft sie den Gedanken in Bezug auf Gott: "Gott braucht uns - wir brauchen Gott", fasst Dubiski zusammen.

Auf dem Kölner Workshop haben sich Theolog:innen über ihre Arbeiten zu Sölles Werk ausgetauscht und diskutiert. Weitere Workshops im nächsten Jahr sind geplant.

Glaube nur praktisch und politisch

Ein Resümee aus dem Workshop zieht der veranstaltende Theologe Konstantin Sacher. Er beobachtet, dass Sölle bei der jungen Generation wieder auf Interesse stoße. Der Grund dafür sei noch unklar, sagt er. Zwar sei Sölle Vorreiterin für die Themen Ökologie, Gleichstellung von Frauen und den Umgang mit dem globalen Süden gewesen, aber vieles sei inzwischen überholt.  

Vielleicht ist es Dorothee Sölles Radikalität, die heute wieder gefragt ist. Zeitlebens versuchte Sölle nicht nur ihren Freunden aus dem linken Spektrum ihr religiöses Denken zu erklären. Sie konnte Glauben nur praktisch und politisch denken - indem man sich einmischt für Gerechtigkeit auf Erden, für Klimaschutz und Flüchtlinge.  

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