TV-Tipp: "Polizeiruf: Der Gott des Bankrotts"

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5. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Polizeiruf: Der Gott des Bankrotts"
Der Titel dieser "Polizeiruf"-Episode aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet klingt nach Wirtschaftskrimi und Hochfinanz, aber tatsächlich geht es um die sogenannten kleinen Leute.

Das kann Vincent Ross zunächst noch nicht ahnen, als er sich Kopf an Kopf zu einer Leiche legt und sich fragt, warum der Mann wohl versonnen in den Himmel lächelt; schließlich hat ihn eine aus der unmittelbaren Nähe abgefeuerte Kugel das Leben gekostet. Der Fundort ist nur fünfhundert Meter vom Jakobsweg entfernt; "die Wege des Herrn führen auch durch Brandenburg", stellt Ross (André Kaczmarczyk) überrascht fest. Der entspannte Gesichtsausdruck des Opfers, ein Pole namens Antoni Mazur, hat allerdings nichts mit göttlicher Fügung zu tun. Die Erklärung für seinen Tod gehört sicher zu den verblüffendsten Offenbarungen in der Geschichte des Sonntagskrimis; mit dem entsprechenden Wissen zeigt sich zudem, dass der Film schon im ersten Akt einen diesbezüglichen Hinweis gegeben hat. 

Bis zur Auflösung ist es für den Hauptkommissar jedoch noch ein weiter Weg, den er nach dem Abschied seines Partners Raczek allerdings nicht allein gehen muss, und das ist eine weitere ausgezeichnete Idee von Mike Bäuml. Der Autor stellt seiner Hauptfigur, die so ganz anders ist als die sonstigen TV-Ermittler, einen Mann zur Seite, der eine Art Gegenstück zu dem geschminkten, ungewöhnlich gekleideten und überaus feinfühligen Hauptkommissar bildet: Der deutlich ältere Karl Rogov (Frank Leo Schröder) war auch mal bei der Kripo, fristet sein Dasein nun aber als Landpolizist, weil er ständig Ärger mit seinen Vorgesetzten hatte. Die Einführung dieser ruppigen Figur wirkt wie eine Komödie: Zunächst reagiert Rogov auf die Erscheinung des Kollegen angemessen verblüfft, dann mischt er sich als Stimme aus dem Hintergrund immer wieder in die Befragungen ein. Die Kollegen von der deutsch-polnischen Ermittlungsgruppe in Świecko kommen mit seiner forschen Art überhaupt nicht zurecht, Rechtsmediziner Marian Kaminski (Tomek Nowicki) rastet einige Male sogar regelrecht aus, aber Ross macht das einzig Richtige und bindet Rogov mit ein.

Zwei andere Figuren sind nicht minder interessant, und nun kommt Bäuml zum eigentlichen Kern seiner Geschichte. Antoni Mazur war bankrott, und weil Insolvenzverwalter Schick von Bernhard Schir verkörpert wird, weiß das Stammpublikum gleich Bescheid: Wirkt der Österreicher in einem Krimi mit, gehört er grundsätzlich zum Kreis der Verdächtigen, zumal er seine Charaktere stets mit einer Abgründigkeit versieht, die alle nur denkbaren Schurkereien erahnen lässt. Tatsächlich hat Schick offenbar mit den Notlagen seiner Schutzbefohlenen allerlei Schindluder getrieben: Dass die Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, hat ihn nicht davon abgehalten, die Insolvenzmasse unter der Hand zu verscherbeln; Mazur hat ihn deshalb angezeigt. Der Mann, mit dem der Anwalt Hand in Hand arbeitet, scheint sein genaues Gegenteil zu sein: Jonathan Hüter, von Godehard Giese mit ausgeprägter Sanftmut versehen, ist nicht bloß Schuldnerberater, sondern auch Schicks Lebensgefährte. 

Schon die doppelte Kontrastkonstellation – hier die beiden Ermittler, dort das homosexuelle Paar – sorgt dafür, dass "Der Gott des Bankrotts" kurzweilig und reizvoll ist; aber auch sehr männerlastig. Zum Ausgleich gibt es eine Pilgergruppe, zu der neben dem Opfer auch zwei interessant besetzte junge Frauen gehören. Bei der einen (Anna-Maria Bednarzik) handelt es sich um die Tochter von Schick, bei der anderen (Maj-Britt Klenke) um die Tochter einer Klientin des Paars. Juliane Mai (Imke Büchel) führt ein Geschäft für Papierwaren, musste ebenfalls Insolvenz anmelden und lässt sich in ihrer Verzweiflung zu einem Schritt hinreißen, der nahelegt: Dieser Film könnte auch "Der Gott des Gemetzels" heißen. 

Wie es mit den Sonntagskrimis aus Brandenburg weitergeht und ob Ross einen Partner oder eine Partnerin bekommt, sei derzeit noch offen, teilt der RBB mit. André Kaczmarczyk, vor seinem Debüt an der Seite von Lucas Gregorowicz im Sonntagskrimi kaum bekannt, hat sich mit seinem dritten Auftritt allerdings endgültig etabliert, und das nicht nur im "Polizeiruf"; er hätte problemlos das Format, die Filme auch allein zu tragen. Regie führte Felix Karolus. Sein Langfilmdebüt, "An seiner Seite" (2021), war eine Verbeugung vor Senta Berger, seine zweite Fernseharbeit war der unaufgeregte, darstellerisch aber sehenswerte erste Film mit Walter Sittler in seiner gleichzeitig neuen wie alten ZDF-Rolle als "Der Kommissar und der See" (2022).