Heilige Kreise und Mandalas verstehen

Palkhor Chöde Sandmandala von Mönschen gestreut
Wout de Jong / Mandala – Auf der Suche nach Erleuchtung / Arnoldsche Verlagsanstalt
Tibetische Mönche aus Gyantse streuen ein Sandmandala. Die geometrische Übung dient der Vergegenwärtigung wie der Kosmos aufgebaut ist. Am Ende wird das religiöse Kunstwerk zusammengefegt und in einen Fluß gegeben. Sinnbild für die Unbeständigkeit alles Seienden.
Religiöse Symbole in den Kulturen
Heilige Kreise und Mandalas verstehen
Dem Autor und Fotograf Peter van Ham sind bereits Spiegel-Bestseller mit seinen Themen geglückt. Schwerpunkt Himalaya und Tibet. Das neue Buch "Mandala – Auf der Suche nach Erleuchtung" ist ein Kulturvergleich quer durch die Religionen vom Buddhismus bis Christentum und Islam. Im Interview mit evangelisch.de erläutert er, was hinter der heiligen Geometrie der spirituellen Künste verborgen ist.

Peter van Ham vergleicht auf knapp 400 Seiten mit 560 Fotos Phänomene wie Kreis- und Spiralsymboliken in der heiligen Geometrie der spirituellen Künste. Ob in Mexiko, Chartres oder Katmandu - überall lässt sich eine kosmische Dimension in den geometrischen Formen finden. Im Interview mit evangelisch.de äußert der Autor die Vermutung, dass diese Symbolik offenbar im Menschen angelegt sei. Um Gottessuche und –begegnung, Heilung und Vollkommenheit, Zustände jenseits des begrifflich Fassbaren auszudrücken, gibt es nur ein bestimmtes Repertoire, das immer wieder auftaucht.

Frage: Was bedeuten Mandalas? Man denkt da zuerst gar nicht an christliche Symbolik.

Peter van Ham: "Mandala" bedeutet in seiner ursprünglichen, aus dem Sanskrit stammenden Bedeutung schlichtweg "Kreis". Einen Kreis zu zeichnen galt und gilt bis heute im spirituellen Kontext als Medium der Zentrierung, der Konzentration und steht für die Absicht, in der Versenkung eine Verbindung mit dem "Allumfassenden", dem Göttlichen, aufzunehmen. Wie meine Forschung ergeben hat, lässt sich dies in allen spirituellen Traditionen der Menschheit nachweisen.   

Worin besteht das Eigentliche der Symbolik? Kann man die Symbolik auch ohne Legende verstehen? 

Van Ham: Der Kreis wird Kulturen übergreifend als Himmel, Kosmos, Göttliches verstanden. Seine Form suggeriert Einheit, Geschlossenheit, Unendlichkeit. Dies liegt allein schon an der geometrischen Entstehung seiner Form, die vom Zentrum seines Entstehens aus überall gleich ist. Daher gilt der Kreis auch stets als erster Ausdruck von Entstehung. Aus seinem Zentrum entspringt etwas, entsteht die kosmische Entwicklung des Universums, der Welt. Diese Vorstellung teilen sich Metaphysik, die im Zentrum die Wahrheit verortet, und Physik, die das kleinste Teilchen als Ausgangspunkt für sämtliches Entstehen sucht. 

In Ihrem Buch gehen Sie phänomenologisch vor und präsentieren nebeneinander spirituelle Objekte unterschiedlicher Herkunft, die sich in ihrer Form sehr stark ähneln. Warum? 

Van Ham: Ich finde es bemerkenswert, dass die unterschiedlichsten Kulturen, um ähnliche Zusammenhänge auszudrücken, ganz unabhängig voneinander zu sehr ähnlichen Ausdrucksformen gelangt sind und auch immer noch gelangen und sich dafür der grundlegenden geometrischen Formen bedienen. Die kulturellen Zusammenhänge mögen vielleicht spezifisch sein, doch ist es erstaunlich, dass die Grundbedeutungen bzw. die Anlässe, für die diese Formen dann eingesetzt werden, sehr ähnlich wenn nicht sogar gleich sind. 

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Welche Beispiele haben Sie besonders fasziniert und warum? 

Van Ham: Als eines der vielen Beispiele aus dem Buch finde ich es grandios, dass sowohl eine christliche Monstranz mit Hostie, ein buddhistisches Rad der Lehre und eine archaisch-chinesische Jenseits-Scheibe ("Bi") kreisförmig gestaltet sind und ihr punktförmiges Zentrum als Sitz der allumfassenden Wahrheit symbolisieren. Alle drei Objekte legen nahe, dass der Mensch diese Wahrheit erfahren kann bzw. wird. Die Wege zu dieser Erfahrung mögen unterschiedlich sein – in der Verehrung, der Gnade, der Hingabe oder dem Nachfolgen, im Studium oder der Verwirklichung von Erkenntnis, oder im Tod – doch letztendlich suggerieren alle drei, dass es über die rein physische Existenz hinaus eine Transzendenz gibt, derer der Mensch gewahr werden kann und wird, die er in sich trägt und die wohl sein wahres Selbst ausmacht. Mittels ihrer Form transportieren diese Objekte – exemplarisch für unzählige weitere Beispiele aus allen spirituellen Traditionen der Welt – eine zutiefst völkerverständigende Botschaft. Denn sie sind Ausdruck einer universalen Übereinstimmung im Kern menschlichen Strebens und menschlicher Existenz. 

Buch-Info:
Peter van Ham, Mandala – Auf der Suche nach Erleuchtung: Heilige Geometrie in den spirituellen Künsten der Welt. Arnoldsche Verlagsanstalt, 392 Seiten, Großformat 25 x 29,5 cm, 565 Abb., 58 Euro.