TV-Tipp: "Schrille Nacht"

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23. Dezember, Arte, 22.10 Uhr
TV-Tipp: "Schrille Nacht"
Sieben Episoden, in denen die Weihnachtsfreude außer Kontrolle gerät. Satirisch überspitzt und mit viel Liebe zu Detail.

Selten klaffen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander wie an Weihnachten: Was eigentlich das Fest der Liebe sein soll, eskaliert oft genug in Zank und Streit, vor allem im Film; und davon handelt die österreichische Komödie "Schrille Nacht", die gleich sieben Geschichten erzählt, in denen sich der Heilige Abend ganz anders entwickelt als geplant. Die jeweiligen Handlungen haben nichts miteinander zu tun; die Länge der dauern variiert von wenigen Minuten bis zu einer Viertelstunde. Eins aber ist allen gemeinsam: Sie nehmen gezielt die oftmals übersteigerten Erwartungen aufs Korn; mal satirisch, mal makaber, aber immer originell und witzig. Die Liebe zum Detail zeigt sich nicht zuletzt an der originellen Integrierung der jeweiligen Titel.

Regie führten jeweils Mirjam Unger sowie die als Kinder mit ihrer Familie aus dem Iran geflohenen Brüder Arash und Arman Riahi; eine Episode hat das Trio gemeinsam inszeniert. Unger hat bislang unter anderem diverse Folgen für die bissige ORF-Serie "Vorstadtweiber" gedreht. In der famos gespielten Tragikomödie "Alle Nadeln an der Tanne" (2020, ZDF) hat sie schon einmal erzählt, wie ein fragiles Familiengefüge an Weihnachten aus den Fugen gerät.

Ihr bester Beitrag zu "Schrille Nacht" ist "Lucky": An Heiligabend bekommt ein Paar Besuch von den Eltern des Mannes. Seine Mutter, Bernadette (Susi Stach), ist allerdings eine furchtbare Person, die getreu dem Motto "Das wird man doch wohl noch sagen dürfen" dauernd diskriminierende Bemerkungen über die chinesischen Wurzeln ihrer Schwiegertochter macht. Koharu (Sonja Chan) rächt sich mit einem bitterbösen Streich, bei dem Bernadettes Schoßhund eine entscheidende Rolle als "falscher Hase" spielt (genaugenommen handelt es sich um ein falsches Kaninchen).

Ungers zweiter Beitrag ("Rosi, Pepi, Josef") basiert auf einem Drehbuch von Kathrin Resetarits, die auch die weibliche Hauptrolle spielt: An Heiligabend wird eine alleinerziehende Mutter vom Besuch ihres von der Freundin vor die Tür gesetzten Vaters (Lukas Resetarits) überrascht, und prompt kommen lauter alte Rechnungen auf den Tisch, weil der altlinke Erzeuger stets Zeit für den Klassenkampf, aber nie für seine Tochter hatte. Dass die beiden Mitwirkenden tatsächlich Vater und Tochter sind, verleiht dem Beitrag zwar einen gewissen zusätzlichen Reiz, aber ansonsten lebt der Kurzfilm vor allem von den giftigen Dialogen.

Einer der originellsten Filme ist "Der gute Eindruck" (Buch: Maria Hinterkörner), denn er spielt ausschließlich in einem Auto. Die Kamera zeigt das Ehepaar Mathilda und Franz (Maddalena Noemi Hirschal, Aleksandar Petrovic) stur von vorn: Auf dem Weg zum Fest bei der Familie von Franz fährt Mathilda, während er schläft, auf dem Rückweg fährt er, weil sie völlig betrunken und entsprechend derangiert ist. Das klingt eintönig, ist aber dank der jeweiligen Monologe, in die sich gern auch mal das Navigationssystem einmischt, verblüffend witzig und abwechslungsreich, zumal die beiden jeweiligen Erzählungen lauthals miteinander kontrastieren: Im ersten Akt ist sie voller Vorfreude, im zweiten zählt er auf, in welche Fettnäpfchen sie getreten ist.

Sehr schön gespielt ist auch "Wenn der Weihnachtsmann zweimal klingelt", die einzige Episode, die das Regietrio gemeinsam inszeniert hat. Im Mittelpunkt steht das schwule Paar Oskar und Hannes. Die beiden sind seit 18 Jahren zusammen; genauso lange wartet Oskar bereits vergeblich auf einen Heiratsantrag. Dieses Weihnachten soll es endlich so weit sein, und damit auch ja nichts schiefgeht, hat er sich einen cleveren Plan ausgedacht. Wie Martin Leutgeb und Simon Schwarz diese Szenen einer noch nicht geschlossenen Ehe verkörpern, ist gleichermaßen lustig wie berührend.

Für die Klammer sorgen zwei Filme der "Riahi-Brothers", wie sie sich nennen, die gegensätzlicher kaum sein könnten: Den Auftakt macht ein turbulenter Slapstick-Spaß, bei dem ein Familienvater (Faris Endris Rahoma) nach allen Regeln der Kunst daran scheitert, noch kurz vor Toresschluss einen preisgünstigen Christbaum zu erwerben. Den Abschluss bildet eine Geschichte, in der eine Mutter (Martina Ebm) auf dem Weg zum Weihnachtsfest bei den ehemaligen Schwiegereltern zusammen mit der kleinen Franziska (Klara Boltuch als entzückendes Filmkind) buchstäblich auf der Strecke bleibt: Wegen eines Personenschadens verzögert sich die Weiterfahrt des Zuges auf unbestimmte Zeit. Die Tochter ist untröstlich, weil sie fürchtet, keine Geschenke zu bekommen, aber selbstredend ist auf das Christkind Verlass.