"Es ist an der Zeit" bewegt bis heute

Sänger Hannes Wader 2005
© Verlag Neue Stadt / Ludwich Lupe/wikimedia
Deutschlands bekanntester Folk-Sänger Hannes Wader sang "Es ist an der Zeit" und erinnert an riesige Soldatenfriedhöfe in Frankreich als Zeugen der großen und brutalen Schlachten, die im Ersten Weltkrieg stattfanden.
Songs des Friedens
"Es ist an der Zeit" bewegt bis heute
Der Liedermacher Hannes Wader führt Zuhörende in seinem Stück "Es ist an der Zeit" an Soldatengräber und erinnert an die Todesstunde der Gefallenen. Uwe Birnstein hat sich den Song einmal genauer angeschaut.

Die Erinnerung an das Leid von Millionen gefallener Soldaten rührt an.

"Weit in der Champagne, im Mittsommergrün, dort wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blüh'n…": Der Gänsehautfaktor ist hoch, wenn Deutschlands bekanntester Folk-Sänger Hannes Wader Es ist an der Zeit anstimmt. Die Geschichte ist perfekt erzählt und dramatisch – kommt aber dennoch im beschwingten Dreivierteltakt daher. Das könnte auch so gedeutet werden: Die Erinnerung an das Leid von Millionen gefallener Soldaten rührt an; wenn wir sie als Aufforderung verstehen, uns tatkräftig für den Frieden zu engagieren, muss sie uns jedoch nicht runterziehen, sondern kann motivieren und sogar Lebensfreude wecken.

Das Lied führt die Zuhörer zu den Mohnblumenfeldern in der Champagne, einer idyllischen Landschaft nordöstlich von Paris. Riesige Soldatenfriedhöfe zeugen dort von den großen und brutalen Schlachten, die im Ersten Weltkrieg stattfanden. Der Liederzähler steht vor einem der Grabkreuze, es erinnert an einen neunzehnjährigen Soldaten, der 1916 starb. Es folgt ein imaginäres Gespräch mit dem Gefallenen: "Du hast ihnen alles gegeben, deine Kraft, deine Jugend, dein Leben!", singt Wader und fragt: "Hast du, toter Soldat, mal ein Mädchen geliebt?" "Sicher nicht", vermutet Wader, "denn nur dort, wo es Frieden gibt, können Zärtlichkeit und Vertrauen gedeih'n." Wader versucht, sich in den verzweifelten jungen Mann hineinzuversetzen: "Vielleicht dachtest du dir: ‚Ich falle schon bald, nehme mir mein Vergnügen, wie es kommt, mit Gewalt.‘"

Aus Scham vor sich selbst habe er es dann aber nicht getan. Auch über die Todesstunde sinniert Wader: "Ich hoffe, es traf dich ein sauberer Schuss. Oder hat ein Geschoss dir die Glieder zerfetzt, hast du nach deiner Mutter geschrien bis zuletzt? Bist du auf deinen Beinstümpfen weitergerannt? Und dein Grab, birgt es mehr als ein Bein, eine Hand?"

Vor dem Kreuz stehend, legt der Erzähler einen Schwur ab: Sollte die Menschheit noch einmal auf Kriegslügen reinfallen, will er für den Frieden kämpfen und wachsam sein. Gut, dass sich "mehr und mehr Menschen bereit" finden, einen kommenden Weltkrieg "zu verhindern. Es ist an der Zeit!" 

Mit Es ist an der Zeit schenkte Hannes Wader der westdeutschen Friedensbewegung ein weiteres hymnisches Mitsinglied. Er sang es mit dem Pathos eines linken Barden, ganz in der Tradition Pete Seegers. Tatsächlich stand Hannes Wader im Spektrum der Friedensbewegten ganz links; durch seine große Liebe zur echten, freiheitsliebenden deutschen Volksmusik war er jedoch auch in Kreisen beliebt, die mit Parteipolitik nicht viel am Hut hatten.

Es ist an der Zeit blieb auch nach dem Zerfall der Ost-West-Blöcke aktuell. Bei einer Demonstration gegen den Irakkrieg im Februar 2003 sang Wader es gemeinsam mit Reinhard Mey und Konstantin Wecker. Für Wecker ist es "das stärkste Anti-Kriegslied, das es gibt. Der Text ist einfach atemberaubend." Nach einem gemeinsamen Konzert mit Wader, soll einmal jemand gefragt haben: "Was bringen denn eure Friedenslieder?" Hannes Wader antwortete: "Mal anders gefragt: Was wäre, wenn es unsere Mosaiksteinchen nicht gäbe? Natürlich kann Kultur etwas verändern!" 

Mehr Hintergrundinfos in Uwe Birnsteins Buch "Hits from Heaven . Wie die Songs des Friedens unsere Hoffnung nähren", Verlag Neue Stadt 2022, ISBN 978-3-7346-1285-5.