TV-Tipp: "Zurück aufs Eis"

Fernseher vor gelbem Hintergrund.
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18. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Zurück aufs Eis"
Maren Brand (Inka Friedrich) orientiert sich abgesehen vom Beruf, vor allem am Wohlbefinden ihrer Tochter, seit der Gatte sie vor Jahren schmählich mit ihrer besten Freundin betrogen hat. Deshalb stürzt die Polizistin prompt in ein tiefes Loch, als Tochter Amelie (Anouk Elias) das beschauliche Bad Tölz verlässt und zu ihrem Freund zieht. Das alles klingt nach typischer "Empty Nest"-Handlung und darum geht es auch in dieser sympathischen Tragikomödie.

Tatsächlich ist Marens Einsamkeit jedoch nur einer von vielen Aspekten, die Kathi Liers (Buch) und Hanno Olderdissen (Regie) mit viel Empathie erzählen. Im Verlauf der Handlung durchlebt die Hauptfigur gleich mehrere Erkenntnisprozesse. Auf den ersten weist ihre Tochter sie ziemlich unverblümt hin: Seit sich Maren vom Gatten getrennt hat, diente ihr Amelie stets als Vorwand, um sich vor dem Leben zu verstecken; an die Liebe glaubt sie ohnehin nicht mehr. Da sie diese Ausrede nun nicht mehr hat, lässt sie sich zaghaft auf ein erstes Abenteuer ein. Trotzdem dauert es eine ganze Weile, bis sich zeigt: "Zurück aufs Eis" war die ganze Zeit eine romantische Komödie. 

Der Titel weckt Assoziationen zu "Die Anfängerin" (2018), einem Drama mit Ulrike Krumbiegel als Frau um die sechzig, die sich ihren Kindheitstraum vom Eislaufen erfüllt. In Marens Geschichte spielt zwar ebenfalls eine Eissportart eine gewisse Rolle, aber aufs Eis begibt sie sich erst nach über einer Filmstunde. Der Titel dient ohnehin eher als Metapher, "Zurück ins Leben" würde es genauso treffen, zumal es Maren zu Beginn schon allein beim Gedanken an Amelies Auszug ganz blümerant wird, und natürlich kann sie die Tochter nicht loslassen, selbst wenn sie tapfer so tut, als käme sie gut mit der Veränderung klar.

Amelie kann sie was vormachen, ihrem Rücken hingegen nicht, wie ihr Orthopäde erkennt: "Fast jeder Schmerz beruht auf einer Kränkung, die geheilt werden will." An Simon Huber (Kai Lentrodt), der zu jeder Lebenslage das passende Freud-Zitat aus dem Ärmel schütteln kann, ist ohnehin ein Psychologe verloren gegangen, und weil er seine Patientin ziemlich unverblümt anflirtet, lässt sich Maren schließlich auf das Wagnis ein, sich doch noch mal zu verlieben.

All’ das wäre anderswo Handlung genug, aber Kathi Liers hat noch viel mehr zu erzählen, weshalb der von Veronica Ferres produzierte Film gleich mehrere Geschichten zu bieten hat; zum Beispiel die des Ehepaars Basti und Anna Bader, bei dem Maren und ihr Kollege Bernhard (Stephan Zinner) nach dem Rechten schauen, weil sich eine Nachbarin über einen lautstarken Streit beschwert hat. Für Bernhard ist der Fall klar: Er stuft den Ehemann (Andras Bittl) umgehend als latent aggressiv ein und ist überzeugt, dass er seine Frau (Jenny Marie Muck) schlägt. Maren begegnet Basti Bader des Öfteren bei ihrem Stammimbiss und hat erhebliche Zweifel an Bernhards Theorie; erst recht, als sich rausstellt, dass der Hund, von dem angeblich die Bisswunde an seinem Handgelenk stammt, gar keine Zähne mehr hat. 

Haken dieser Art schlägt die Tragikomödie immer wieder, weil sich die Szenen oft anders entwickeln als erwartet und Liers komplexe Charaktere geschaffen hat. Sämtliche Mitwirkenden machen ihre Sache ausnehmend gut, aber Inka Friedrich hat natürlich das meiste Spielmaterial, das sie auch weidlich auskostet; Maren durchlebt sämtliche Gefühlszustände, die ein Genremix aus Drama, Romanze und Komödie zu bieten hat. Hinzu kommen diverse Details, die jedes für sich nicht wichtig sind, in der Summe aber dafür sorgen, dass "Zurück aufs Eis" für einen vermeintlich leichten Film dieser Art erstaunlich dicht ist.

Der Auftakt mit dem gemeinsamen Morgenritual von Mutter und Tochter markiert bereits Marens Fallhöhe, als ihr aus dem Bad nicht etwa Amelie, sondern der gut gebaute Erik (Leonard Burkhardt) entgegenkommt. Ganz wunderbar sind auch die Dialoge; gerade die freundschaftlich-kollegialen Streifenwagengeplänkel zwischen Maren und Bernhard sind sehr witzig. Die leicht angerockte Musik (Tobias Wagner, Steven Schwalbe) sorgt für genau das richtige flotte Tempo.

Schon Liers’ letztes verfilmtes Drehbuch, "Meine Nachbarn mit dem dicken Hund" (2019), ebenfalls im Auftrag der ARD-Tochter Degeto entstanden, war eine bestens gespielte Freitagskomödie mit Steffi Kühnert als verlassene Ehefrau, die sich mit einem frechen kleinen Mädchen anfreundet. Hanno Olderdissen hat zuletzt die herausragende Schwarzwald-Krimiserie "Höllgrund" (SWR, 2022) und zuvor für die Degeto "Karla, Rosalie und das Loch in der Wand" (2022) gedreht, eine sehenswerte Tragikomödie über die Freundschaft zwischen einer Ingenieurin und einer Schülerin im Rollstuhl.