TV-Tipp: "Tatort: Spur des Blutes"

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23. Oktober, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Spur des Blutes"
Als die beiden damals noch vergleichsweise jungen Kommissare Ballauf und Schenk einst ihren ersten gemeinsamen Fall gelöst haben, war an den Beginn einer wundervollen Freundschaft zunächst nicht zu denken. Das war 1997.

"Willkommen in Köln" ist auch nach 25 Jahren noch ziemlich sehenswert. Zum Jubiläum beschert der WDR dem in Würde ergrauten Duo Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär einen Krimi, der dem Anlass angemessen ist; auch wenn die beiden in der zweiten Filmhälfte fast nur noch Nebenrollen spielen, weil die Handlung unversehens von Kriminaltechnikerin Natalie Förster (Tinka Fürst) vorangetrieben wird. Schon die Gestaltung des Prologs verdeutlicht zudem das große von Tini Tüllmann; "Spur des Blutes" ist nach ihrem Kinodebüt mit dem Psychothriller "Freddy/Eddy" (2018) über einen monströsen Doppelgänger sowie einigen Serienfolgen ("Soko Hamburg", "Check Check") die Fernsehfilmpremiere der Regisseurin. 

Der Film beginnt mit zwei Teenagern, die durch die Stadt streifen, allerlei Unfug machen und sich schließlich gegenseitig einen Schmetterling in die Nackenhaut stechen. Spätestens jetzt ahnen Krimifans: Eine der beiden jungen Frauen wird die folgende Nacht nicht überleben. Zunächst setzen sie sich jedoch erst mal einen Schuss. Kim (Greta Bohacek) gerät auf einen schlechten Trip: Das Lagerfeuer auf einem Poster breitet sich im ganzen Zimmer aus und droht sie zu verzehren. Die Szene entwickelt eine enorme Intensität, und wer weiß, wie die Sache für das Mädchen ausgegangen wäre, wenn Lara (Charlotte Lorenzen) ihre Freundin nicht mit ein paar kräftigen Ohrfeigen in die Wirklichkeit zurückgeholt hätte, die allerdings ebenfalls nicht erbaulich ist: Kim und Lara verdienen das Geld für ihre Drogen auf dem Straßenstrich. Am nächsten Tag wird Lara tot in einem Auffangbecken der Kanalisation gefunden, und selbst wenn Kim so tun wollte, als würde sie die anscheinend durch einen sadistischen Triebtäter zu Tode gepeinigte junge Frau nicht kennen: Die Tätowierung sagt alles.

Die rasante Sequenz zum Abschluss des Auftakts, als die Kamera erst dem Kanalverlauf folgt und schließlich aus extremer Vogelperspektive Laras Leiche in der Brühe zeigt, ist ähnlich spektakulär wie die Feuerszene. Der Schauplatz des selbst in Köln kaum bekannten "Randkanals" mit seinem rotbraunen Wasser passt auf fast schon makabre Weise perfekt zum Episodentitel und ist ohnehin ungleich origineller als der übliche Leichenfund am Rheinufer. Mit der nun folgenden Ermittlungsroutine orientiert sich auch die Inszenierung erst mal an den gewohnten Konventionen. Fortan fesselt der 85. Fall für Ballauf und Schenk vor allem durch die Handlung, die zunächst in üblichen Krimibahnen verläuft: Die Aussage Kims sowie die Auswertung der Spermaspuren führen alsbald zu einem jungen Verdächtigen, der Lara mit dem Auto seines Vaters aufgegabelt hat, um sein "erstes Mal" ausgerechnet in einer sogenannten Verrichtungsbox zu erleben. Beiläufig erwähnt eine Laborantin, dass Förster offenbar eine der DNS-Proben verunreinigt hat, jedenfalls hat die Analyse einen entsprechenden Treffer ergeben; und jetzt kann von Routine keine Rede mehr sein. Clever lässt das Drehbuch allerdings lange offen, warum die Kriminaltechnikerin plötzlich derart komplett neben der Spur ist, dass sie sich sogar einen Rüffel von Ballauf einfängt. 

Es gibt ein paar kleine darstellerische Unstimmigkeiten bei den Nebenfiguren, aber abgesehen von der irritierenden Art, mit der Lea Mornar die Mutter des Mordopfers versieht, fällt das nicht weiter ins Gewicht, zumal die zentralen Rollen umso besser verkörpert werden. Ein kleiner Besetzungsknüller ist der österreichische Kabarettist Josef Hader, der hier tatsächlich zum ersten Mal in einem "Tatort" mitwirkt. Er spielt den fürsorglichen Besitzer eines Caravan-Verleihs, der einem vorbestraften jungen Mann eine zweite Chance geben hat; dieser Mitarbeiter gerät als Nächster ins Visier der Ermittler. Das Drehbuch stammt von Arne Nolting und Jan Martin Scharf. Das vielfach ausgezeichnete Duo (Grimme-Preise für die Serien "Club der roten Bänder" und "Weinberg") hat für die Kölner Kommissare zuletzt "Der Reiz des Bösen" (2021) geschrieben. In diesem nicht minder fesselnden "Tatort" ging es ebenfalls um die Suche nach einem Frauenmörder, auch diese Geschichte nahm einige überraschende Wendungen. "Spur des Blutes" ist womöglich noch besser, zumal die Inszenierung weiterhin immer wieder Akzente setzt. Wie gut der Film funktioniert, belegen nicht zuletzt einige heitere Momente, die selbst in Anbetracht der grausigen Tat nicht deplatziert wirken und ein ironisches Spiel mit dem Alter der Ermittler treiben, weil sie den entschwundenen jugendlichen Elan durch eine schlaue Hase-und-Igel-Taktik ausgleichen. Optisch wie auch akustisch sehr effektvoll ist zudem eine Befragungsszene im Revier, als Kim unter Entzugserscheinungen und entsprechenden Wahrnehmungsstörungen leidet. Über allem schwebt jedoch eine Frage, die sich sehr gut nachvollziehen lässt: Endlich öffnet sich eine Tür, nach der man lange gesucht hat, und jetzt weiß man nicht, ob man wirklich hindurchgehen soll, denn anschließend wird sich alles ändern.