EKD: Menschen an Armutsgrenze viel stärker entlasten

Portrait der EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus
© epd/Evangelische Kirche von Westfalen
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus fordert wegen der wachsenden Lebenshaltungskosten eine stärkere staatliche Entlastung für Arme und finanziell gebeutelte Menschen.
Kirche will sich für Arme einsetzen
EKD: Menschen an Armutsgrenze viel stärker entlasten
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, dringt angesichts steigender Lebenshaltungskosten auf eine stärkere staatliche Entlastung von Menschen mit wenig Geld. Statt nach dem "Gießkannenprinzip" alle Bürger in gleichem Maße zu bedenken, müssten jetzt "die, die wenig haben, eine richtig satte Entlastung bekommen", sagte Kurschus am Dienstagabend in Dortmund.

Die westfälische Präses Kurschus sagte: Menschen mit geringem Einkommen bräuchten "Unterstützung von denen, die mehr haben". Das Prinzip "Jedem das Gleiche" könne manchmal furchtbar ungerecht sein.

"Wir blicken auf einen Herbst und einen Winter, vielleicht auch auf ganze Jahre, wo viele in unserer Bevölkerung gar nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen, wie sie heizen sollen", sagte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen. "Wir haben jetzt die Leute an der Armutsgrenze zu unterstützen." Es sei zu befürchten, dass es für viele Menschen "wirklich ans Existenzminimum geht". Die Kirche werde daher in dieser Frage laut ihre Stimme erheben.

Der Oldenburger Verfassungsrechtler Boehme-Neßler sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), das Sozialstaatsgebot bedeute nicht, dass der Staat Wohlstandsverluste durch Inflation und hohe Energiepreise bei den Bürgern verhindern muss. "Das kann er auch gar nicht, die Stärkeren müssen finanzielle Verluste hinnehmen", sagte Boehme-Neßler: "Aber der Staat muss verhindern, dass die Situation für Schwächere im Alltag sozial unerträglich wird."
Das sei spätestens dann der Fall, wenn Menschen frieren oder hungern müssten. Schwierig werde die Situation voraussichtlich nicht nur für Leistungsempfänger, sondern vor allem für Menschen mit kleinen Einkommen, die ihre Miete und Energiekosten selbst bezahlen müssen und deren Geld schon jetzt kaum für den Lebensunterhalt ausreiche.

Angesichts anhaltender Inflation und hoher Energiepreise hat die Bundesregierung bislang zwei sogenannte Entlastungspakete geschnürt, weitere Maßnahmen sind in Vorbereitung. Zunächst waren die EEG-Umlage abgeschafft sowie ein Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger und Steuererleichterungen beschlossen worden. Im zweiten Paket folgten das 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr, das Ende August ausläuft, der Tankrabatt, die Energiepauschale von 300 Euro für einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige, eine Einmalzahlung pro Kind von 100 Euro und in Höhe von 200 Euro für Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen.