Kirche lässt Betroffene mitentscheiden

Figuren im kreis
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Die EKD setzt ein Beteiligungsforum für Missbrauchsopfer ein, dem Betroffene sowie Vertreter:innen der institutionellen Seite angehören.
Missbrauchsaufarbeitung
Kirche lässt Betroffene mitentscheiden
Nach dem Scheitern eines Betroffenengremiums ordnet die evangelische Kirche ihre Struktur beim Umgang mit Missbrauch neu. Betroffene sollen künftig bei Entscheidungen beteiligt werden. In einem neuen Gremium sitzen sie mit Bischöfen an einem Tisch.

In der evangelischen Kirche sollen Betroffene sexualisierter Gewalt künftig mit über den Umgang mit Missbrauchsfällen entscheiden. Wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag in Hannover mitteilte, haben die Leitungsgremien dafür ein sogenanntes Beteiligungsforum eingesetzt, in dem Betroffene, Bischöfe und weitere kirchliche Beauftragte gemeinsam beraten. Jede kirchenpolitische Entscheidung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt erfolge künftig durch Partizipation Betroffener, hieß es.

Der Sprecher der Betroffenen im neuen Gremium, Detlev Zander, sagte, die EKD gebe damit ihre Deutungshoheit auf. Seine Co-Sprecherin Nancy Janz sagte, es sei eine Beteiligungsform entstanden, "in der nicht über uns, nicht ohne uns, sondern nur mit uns entschieden werden kann".

Das gehörte in der Vergangenheit zu den Kernforderungen von Betroffenen. Eine frühere Form zur Beteiligung Betroffener bei der Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch in der evangelischen Kirche war gescheitert, unter anderem weil die Betroffenen kritisierten, nicht auf Augenhöhe mitreden und mitentscheiden zu können. Ein zunächst gegründeter zwölfköpfiger Betroffenenbeirat wurde im vergangenen Jahr aufgelöst. Seitdem hatte die EKD nach einer neuen Form gesucht.

Die direkte Beteiligung Betroffener sei unverzichtbar, erklärte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. Das neue Gremium soll offiziell am 1. Juli starten. Ihm gehören den Angaben zufolge acht Betroffene sowie neun Vertreter:innen der institutionellen Seite an, darunter leitende Geistliche, Juristen und die Präses der Synode der EKD, Anna-Nicole Heinrich. Für einen Beschluss des Gremiums wird nach EKD-Angaben künftig sowohl eine Mehrheit unter den Betroffenen als auch unter den kirchlichen Beauftragten notwendig sein.

Der frühere Beauftragtenrat aus Kirchenvertretern, die mit dem Thema befasst wurden, geht den Angaben zufolge im neuen Beteiligungsforum auf. Sprecher für die institutionelle Seite bleibt der Braunschweiger Bischof Christoph Meyns. Als leitende Geistliche gehören dem Gremium außerdem weiter die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs sowie als neues Mitglied die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst an. Das Beteiligungsforum als neues Modell zur Einbindung Betroffener wurde mithilfe der Moderatorin Birgit Mangels-Voegt bei gemeinsamen Tagungen von Kirchenvertretern und Betroffenen entwickelt.

Aufgabe des Beteiligungsforums soll es sein, Entscheidungen vorzubereiten, die der Rat der EKD, die Kirchenkonferenz als Zusammenschluss aller 20 Landeskirchen oder das Kirchenparlament - die Synode - treffen müssen. Dazu sollen themenbezogene Arbeitsgruppen eingesetzt werden, die sich unter anderem mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, Disziplinarverfahren und den sogenannten Anerkennungsleistungen für Missbrauchsopfer beschäftigen.

Die Arbeitsgruppe Aufarbeitung soll die Verhandlungen mit der Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Kerstin Claus, über Standards bei der Aufklärung begleiten. Eine geplante gemeinsame Erklärung dazu kam mit der EKD bislang nicht zustande. Die Verhandlungen stockten zuletzt auch wegen der unklaren Beteiligung Betroffener, die bereits Claus' Vorgänger Johannes-Wilhelm Rörig zu einer wesentlichen Voraussetzung gemacht hatte.