Extremschwimmer ruft Jugend zum Umdenken auf

© epd-bild/Sarah Mersch
An diesem Mittwoch startete Nejib Belhedi, einer der weltbesten Freiwasserschwimmer, einen neuen Rekordversuch mit politischer Botschaft.
Rekordversuch mit Botschaft
Extremschwimmer ruft Jugend zum Umdenken auf
Der tunesische Extremschwimmer Nejib Belhedi ist am späten Mittwochabend aus den Gewässern nahe der italienischen Insel Pantelleria in Richtung Tunesien aufgebrochen. Das sagte seine Tochter dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei seinem Rekordversuch will er die 155 Kilometer durch das Mittelmeer bis nach Hammamet in Tunesien ohne Pause schwimmen. Er wird dort für den späten Samstagnachmittag erwartet.

80 Stunden ohne Pause, 155 Kilometer Mittelmeer. Nejib Belhedi will in etwas mehr als drei Tagen von der italienischen Insel Pantelleria nach Hammamet in Tunesien schwimmen. Ganz bewusst hat er sich für diese Richtung entschieden und nicht etwa umgekehrt. Denn er hat eine Botschaft: "Die Energie, die Ihr darauf verschwendet, nach Europa zu gelangen, die solltet Ihr dafür verwenden, euch hier eine Zukunft aufzubauen."

Nejib Belhedi richtet sich damit an die Jugendlichen seines Landes, die versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. "Den tunesischen Traum können wir gemeinsam erreichen. Das ist meine Nachricht an diejenigen, die tagtäglich zu ertrinken drohen." Dieses Jahr sind laut offiziellen Zahlen bis Ende Mai bereits mehr als 2.000 Tunesierinnen und Tunesier irregulär nach Italien eingereist.

Die Gefahren des Meeres kennt der kräftig gebaute Mann nur zu gut - allerdings aus anderer Position. Der pensionierte Oberstleutnant der tunesischen Armee ist einer der weltbesten Freiwasserschwimmer. Wenn bei seinem neuen Rekordversuch alles gut geht, kommt er Samstagnachmittag in Tunesien an. Pausen sind keine vorgesehen, auch nachts nicht; ausgestattet ist er mit Badehose, Schwimmbrille und -mütze.

Seit zwei Jahren bereitet er sich auf die größte Herausforderung seiner Karriere vor - während er ein neues Hüftgelenk eingesetzt bekam, weshalb er ein bisschen hinkt und einen Gehstock nutzt. Aber die muskulösen, braungebrannten Arme und Schultern verraten den Ausnahmeathleten. Jetzt sei er "ungeduldig, dass es endlich losgeht." Begleitet wird er von einem Boot mit seinem engsten Team sowie der tunesischen Marine und Küstenwache. Diese entscheiden im Zweifelsfall, wie es weitergeht, sollten zum Beispiel Haie oder Quallenschwärme auf der Strecke auftauchen.

Von klein auf begeisterter Schwimmer

Die Begeisterung für das Meer und das Schwimmen wurde Nejib Belhedi quasi in die Wiege gelegt. Er wurde in der Altstadt der Küstenstadt Sfax, rund drei Stunden südlich der Hauptstadt Tunis, geboren. "Wir haben nahe der Stadtmauer gewohnt. Wenn ich das Fenster aufgemacht habe, habe ich das Meer gesehen." Sein Vater war Hafenarbeiter, sein Onkel Geschäftsführer des örtlichen Schwimmvereins. Dort hat er auch schwimmen gelernt, sein erster Schwimm-Marathon führte ihn zu den 20 Kilometer entfernt liegenden Kerkennah-Inseln.

Seinen Schritt in die Weltklasse machte er mit einer Durchquerung des Ärmelkanals 1993. "Der Ärmelkanal ist wie das Abitur. Den braucht man, um international dabei zu sein", erklärt Belhedi. Er ist bis heute der einzige Tunesier, dem dies gelungen ist. Seitdem reiht er Rekord an Rekord und steht seit vier Jahren sogar im Guinnessbuch für die längste ununterbrochene Schwimmdauer in offenem Wasser. Damals war er in 76 Stunden und 30 Minuten von Sfax auf die Ferieninsel Djerba geschwommen. Zwei Jahre später hat er diese umrundet.

Die Strecke war genau so lang wie die neue Rekordstrecke, aber einfacher, da das Wasser in Küstennähe viel ruhiger ist als auf dem offenen Meer. Um es von Pantelleria nach Hammamet zu schaffen, müsse der Körper hin und wieder auf Autopilot schalten und wie ein Uhrwerk funktionieren, sagt Belhedi. Dann könnten Marathonschwimmer sogar ein bisschen schlafen.

Auch für die Zeit nach dem Rekordversuch hat Belhedi schon Pläne: Er möchte ein Projekt ausbauen, das Kinder ans Schwimmen heranführt, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, egal, ob sie am Meer aufgewachsen sind oder nicht. Vielleicht entdeckt er dabei ja noch den einen oder anderen kleinen Nejib Belhedi.