TV-Tipp: "Steirerwut"

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18. Juni, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Steirerwut"
Anders als ihre Kolleg:innen im Roman treten Ermittlerinnen und Ermittler im TV-Krimi meist mindestens paarweise auf: weil sie jemanden zum Reden brauchen.

Neben den freundschaftlichen Frotzeleien, die beim "Tatort" aus München oder Münster zur Grundausstattung gehören, sollen ihre Gespräche über Schlussfolgerungen und Verdachtsmomente informieren. Ein Privatleben haben die TV-Ermittler dagegen in der Regel nicht: Es würde zu sehr vom Fall ablenken. Beim vierten Krimi aus der Steiermark, in Österreich im Rahmen der Reihe "Landkrimi" ausgestrahlt, hat das Drehbuchehepaar Wolfgang und Maria Murnberger einen cleveren Weg gefunden, wie sich das eine mit dem anderen kombinieren lässt: Der Grazer Chefinspektor Sascha Bergmann hat ein "Freundschaft plus"-Verhältnis mit Eva Merz (Eva Herzig) von der Spurensicherung; ein "Gschpusi mit der Spusi", wie seine Kollegin Sandra Mohr (Miriam Stein) süffisant kommentiert. Weil die deutlich jüngere Sandra außerdem eine Beziehung zu Bergmanns Sohn Daniel (Johannes Nussbaum) hat, spielt die private Ebene fast zwangsläufig eine deutlich größere Rolle als anderswo. 

Das funktioniert, weil dem wegen bissiger Komödien wie "Die Spätzünder" auch hierzulande sehr geschätzten Murnberger, der bislang alle Steirer-Krimis inszeniert hat, eine perfekte Mischung gelungen ist. "Steirerwut", hierzulande erstmals im März 2021 ausgestrahlt, ist der erste Film der Reihe, der nicht mehr auf einem Roman von Claudia Rossacher basiert. Auch deshalb konnten sich die Murnbergers die Freiheit nehmen, den Schwerpunkt etwas zu verlagern. Da der Status zwischen Sandra und Daniel nicht ganz geklärt ist, zumal die Polizistin ihren Beruf eindeutig über ihr Privatleben stellt, kommt es immer wieder zu Konflikten. Auf diese Weise kann Murnberger gleich mehrere Genres miteinander kombinieren: hier das Drama, in der Beziehung zwischen Bergmann und Merz die romantische Komödie, im Zentrum der Krimi. Gegen Ende bekommt die Geschichte sogar tragische Züge.

Dabei scheint der Fall zu Beginn gar keine Herausforderung darzustellen: Als der Chefinspektor einen Anruf aus dem Oststeirischen Hügelland bekommt, weil ein Bauer tot in seinem Stall hängt, sieht er in dem Ausflug vor allem die Gelegenheit für ein Wellness-Wochenende; für ihn steht außer Frage, dass sich der Bauer das Leben genommen hat. Weil die Kollegin Mohr den Dingen jedoch stets auf den Grund zu gehen pflegt, stößt sie auf eine Ungereimtheit, und tatsächlich ergibt die Obduktion, dass der Bauer schon tot war, als er aufgehängt worden ist. 

Für den Kreis der Verdächtigen greifen die Murnbergers auf ein beliebtes Detail vieler Provinzkrimis zurück: Der alte Hödlgruber (Helmut Berger) war, wie die Rückblenden zeigen, ein typischer steirischer Sturschädel und mit mindestens dem halben Dorf verkracht. Drei Männer drängen sich geradezu als Verdächtige auf, allen voran Ernst Hödlgruber (Branko Samarovski), der aus seinem Hass auf den Bruder keinen Hehl macht, weil er sich seit zwanzig Jahren um sein rechtmäßiges Erbe betrogen fühlt. Außerdem sind da noch ein Hotelier, der gern einen Golfplatz anlegen möchte, was sich bislang nicht realisieren ließ, weil mitten im geplanten Areal ein Acker des renitenten Hödlgruber liegt. Sowie ein Bauer, mit dem es regelmäßig Ärger um einen Grenzstein gab. Auf Bergmanns Liste steht außerdem noch Hödlgrubers Nachbarin Lotte (Brigitte Hobmeier), deren Alpakas dem Alten ebenso ein Dorn im Auge waren wie ihre Liebe zu seinem Sohn (Christoph Luser).

Viele Verdächtige sind immer gut für einen Krimi, zumal Murnberger mit Ausnahme Lottes sämtliche Beteiligten so inszeniert, dass sie plausibel für die Tat in frage kommen. Gerade der alte Ernst ist in seinem Zorn völlig unberechenbar, was unter anderem zur Folge hat, dass Sandra Mohr ihre Ermittlungen im Krankenhausbett fortsetzen muss. Der eigentliche Reiz von "Steirerwut" liegt jedoch weniger in der Suche nach der Lösung, die schließlich in eine ganz andere Richtung führt, sondern in der äußerst kurzweiligen Kombination der verschiedenen Ebenen. Viel Spaß macht vor allem Harry Prinz, der in der ZDF-Reihe "Die Toten vom Bodensee" stets ein wenig zu kurz kommt, in den Steirerkrimis dank der trockenen Bemerkungen des Chefinspektors aber die besten Dialoge hat. Seine Szenen mit Eva Herzig sind eine große Freude. Für die Alpakas gilt das nicht minder, auch wenn die Tiere als "Filmfiguren" laut Murnau noch schwieriger zu führen zu seien als Katzen. Einziger Wermutstropfen: Deutsche Zuschauer werden nicht alle Pointen verstehen, aber das tut dem Vergnügen keinen Abbruch. 

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