Täter in Psychiatrie eingewiesen

Franziska Giffey und Boris Rhein legen Blumen am Ort der Amokfahrt in Berlin nieder
© Fabian Sommer/dpa
Franziska Giffey und Boris Rhein legen in Trauer um die getötete Lehrerin und zahlreichen Verletzten Blumen am Ort der Amokfahrt in Berlin nieder.
Todesfahrt in Berlin
Täter in Psychiatrie eingewiesen
Nach der tödlichen Autofahrt am Berliner Breitscheidplatz gehen die Ermittler von einer Vorsatztat aus. Der 29-jährige Fahrer des Wagens wurde in die Psychiatrie eingewiesen.

Das teilte die Berliner Staatsanwaltschaft auf Twitter mit. Die Unterbringung hatte die Staatsanwaltschaft einen Tag nach der Tat beantragt. Laut Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner leidet der Mann an einer paranoiden Schizophrenie und ist "wahrscheinlich schuldunfähig". Laut dem Oberstaatsanwalt gibt es keine Anhaltspunkte für einen terroristischen Hintergrund. Auch ein Unfall könne ausgeschlossen werden. Man gehe von einer vorsätzlichen Tat aus.

Die Ermittler sind bei der Durchsuchung der Wohnung des Mannes auf Medikamente gestoßen. Die Ärzte des 29-Jährigen wurden von ihrer Schweigepflicht entbunden.

Bei der Todesfahrt am Mittwoch in der City West in Höhe des Breitscheidplatzes wurde nach Polizeiangaben eine Lehrerin aus Hessen getötet, 31 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Laut Staatsanwaltschaft ist der Mann "bewusst mit einem Fahrzeug" zunächst in eine erste Gruppe von Menschen an der Ecke Kurfürstendamm/Rankestraße und dann auf der Tauentzienstraße in eine Gruppe von Schülern und Lehrern gefahren. Zum Stehen kam das Fahrzeug im Schaufenster einer Parfümerie. Der Vorwurf gegen den Mann lautet vollendeter Mord sowie versuchter Mord in 17 Fällen.

Zunächst war die Staatsanwaltschaft von einem vollendeten Mord und versuchtem Mord in 31 Fällen ausgegangen. Ein Tötungsvorsatz bei den weniger schwer verletzten Opfern werde inzwischen aber nicht mehr angenommen, teilte die Staatsanwaltschaft auf Twitter weiter mit.

Weiterer Lehrer schwebt in Lebensgefahr

Zu den Opfern gehört laut Staatsanwaltschaft ein weiterer Lehrer einer zehnten Klasse aus dem nordhessischen Bad Arolsen, der lebensgefährlich verletzt ist. Sieben Schüler lägen mit schweren Verletzungen in Krankenhäusern, sieben wurden ambulant behandelt. 50 Personen wurden psychologisch betreut. Vor Ort waren unter anderem 15 Notfallseelsorger im Einsatz, die sich um unverletzte Schüler und weitere Augenzeugen kümmerten.

Ein Teil der unverletzten Jugendlichen und ihre Eltern sind nach Angaben der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Donnerstag nach Hessen zurückgekehrt. Sie waren auf Klassenfahrt in Berlin.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sprach am Donnerstag im RBB-Inforadio von einem "dunklen Tag in der Berliner Stadtgeschichte". Es handele sich um ein Ereignis, das "sehr tiefe Verletzungen und Traumata wieder aufreißt", sagte die SPD-Politikerin mit Blick auf den islamistischen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche vor fünfeinhalb Jahren.

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch rief die Berliner Schulen für Freitag zu einer Schweigeminute auf. In den katholischen Schulen der Stadt und im Religionsunterricht werde man sich mit der Klasse aus Bad Arolsen im Gebet verbinden. Er lade alle Berliner Schulen ein, sich dieser Schweigeminute anzuschließen.

Laut Senatsjustizverwaltung können sich Betroffene an die Zentrale Anlaufstelle für Betroffene von Terroranschlägen und Großschadensereignissen und deren Angehörigen wenden. Als zentrale Vermittlungsstelle verfüge sie über alle notwendigen Kontakte und Informationen.

Seelsorger:innen im Einsatz

Nach der Amokfahrt waren vor Ort 15 Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger im Einsatz. Sie hätten Augenzeugen betreut, darunter einige der unverletzten Schülerinnen und Schüler aus Hessen, sagte der Beauftragte der evangelischen Landeskirche für die Berliner Notfallseelsorge, Justus Münster, am Donnerstag im RBB-Inforadio.

Aufgabe der Notfallseelsorge sei es bei solchen Ereignissen, den Menschen zu helfen, das Passierte zu begreifen und "im Hier und Jetzt anzukommen", sagte der Pfarrer. In solchen Situationen werde der Mensch auf seine Grundfunktionen zurückgeworfen. "Manche reagieren sehr emotional und aufgebracht, andere sind in sich versunken. Wir versuchen, einen Zugang zu ihnen zu bekommen und ein Gesprächsangebot aufrechtzuerhalten", sagte Münster.

Christian Stäblein (l), Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, und Manfred Kollig, Generalvikar des Erzbistums Berlin, halten eine Gedenk-Andacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche.

Diese Reaktionen des Körpers seien normal, "nicht normal sei das Ereignis", sagte der Pfarrer weiter. Das müsse verarbeitet werden: "Wir besprechen dann mit den Menschen, was sie gesehen und erlebt haben."

Spranger dankte den Helfern und auch den Passanten, die den Täter festgehalten hatten. Sie stehe in engem Austausch mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und dem hessischen Innenminister. Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik bat im RBB-Fernsehen um Videos und Fotos von Augenzeugen, die bei der Aufklärung des Tathergangs helfen könnten.

Die Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein nannte das Geschehen nach der abendlichen Andacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche im RBB-Fernsehen ein Ereignis, das man nicht fassen könne. Sie den würdigte den Einsatz der Notfallseelsorger, die den Menschen vor Ort Trost gespendet und Seelsorge geleistet hätten.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, schrieb auf Twitter: "Die Bilder aus Berlin machen mich fassungslos." Sie fügte hinzu: "Sie reißen Wunden auf. Wir beten für die Angehörigen des Menschen, der sein Leben verloren hat, und für diejenigen, die bei dem Vorfall verletzt wurden."

Auch der Berliner Bischof Christian Stäblein drückte seine tiefe Anteilnahme aus: "In Gedanken und Gebet bin ich bei den Opfern und ihren Angehörigen. Und bei denen, die vor Ort waren und die schrecklichen Bilder nicht vergessen können", schrieb er auf Twitter.