TV-Tipp: "Der Mordanschlag"

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11. Februar, 3sat, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Mordanschlag"

Die Arbeit der Treuhandanstalt ist alles andere als ein Ruhmesblatt in der deutschen Geschichte; der Ausverkauf der DDR in den frühen Neunzigerjahren ist einer der Gründe, warum viele Ostdeutsche bis heute mit der Wiedervereinigung hadern, zumal diverse dubiose Machenschaften nach wie vor nicht geklärt sind.

Ähnlich viele Gerüchte ranken sich um die sogenannte Dritte Generation der Roten Armee Fraktion und ihre letzten Anschläge, die zur gleichen Zeit stattfanden. In seinem visionären Film "Die dritte Generation" hatte  Rainer Werner Fassbinder schon 1979, als es diese Generation noch gar nicht gab, eine Verbindung zu Geheimdiensten und Großkapital hergestellt. Erst viele Jahre später stellte sich heraus, dass die Epigonen von Andreas Baader und Ulrike Meinhof durch die Staatssicherheit der DDR unterstützt worden sind.

In seinem gleichzeitig auch als Drehbuch entwickelten zweiten Roman, "Die letzte Terroristin" (Suhrkamp), verknüpft André Georgi, Autor für Krimireihen wie "Marie Brand" und "Unter anderen Umständen", die drei Reizwörter Treuhand, RAF und Stasi zu einem fiktionalen Thriller auf der Basis von Tatsachen. Grimme-Preisträger Miguel Alexandre ("Grüße aus Kaschmir"), Regisseur einiger namhafter Fernsehwerke über die jüngere Zeitgeschichte ("Die Frau vom Checkpoint Charlie", "Der Mann mit dem Fagott", "Starfighter"), hat daraus einen fesselnden Zweiteiler mit großer Besetzung gemacht.

Zentrales Motiv ist das Attentat auf Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder im April 1991. Georgis Drehbuch orientiert sich zwar an den authentischen Ereignissen, verdichtet sie aber zu einer eigenständigen Handlung, in die auch andere RAF-Taten einfließen. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Leiter der Treuhand, der hier Dahlmann heißt, zur Komplizin seiner Mörder erinnert an die Ermordung des Bankmanagers Jürgen Ponto im Jahr 1977; RAF-Mitglied Susanne Albrecht war eine Bekannte der Familie. Das Finale auf dem Gelände eines Kleinstadtbahnhofs schließlich ist der bis heute nicht restlos aufgeklärten Schießerei zwischen RAF und GSG 9 1993 in Bad Kleinen nachempfunden.

Georgi hat diese historischen Details gewissermaßen in einen Topf geworfen, gut durchgemischt und daraus eine eigene Geschichte gestrickt, die aus zwei Perspektiven erzählt wird: Sandra Wellmann (Petra Schmidt-Schaller) ist eine alleinerziehende junge Mutter, die in der linken Hamburger Hausbesetzerszene aktiv war; Vater ihres Kindes ist ein angeblich bei einem Anschlag ums Leben gekommener RAF-Terrorist. Sandra wird persönliche Referentin von Treuhandchef Dahlmann (Ulrich Tukur), der verhindern will, dass die DDR-Unternehmen verramscht werden; aber er hat mächtige Gegenspieler.

Sandra trifft sich immer wieder mit dem Paar Bettina und Klaus (Jenny Schily, Christoph Bach), das Dahlmann als Repräsentanten des Großkapitals betrachtet und mit seiner Ermordung ein Zeichen setzen will; allerdings empfindet die junge Frau längst große Sympathie für ihren engagierten Chef, denn der entspricht überhaupt nicht dem Klischee des rücksichtslosen Kapitalisten. Zur gleichen Zeit kommt der leitende BKA-Ermittler Kawert (Maximilian Brückner) den Terroristen dank eines kurz drauf von Bettina kaltblütig hingerichteten Informanten immer näher.

Bei seiner Umsetzung gelingt Alexandre eine reizvolle Gratwanderung: Sandra ist als Hauptfigur automatisch auch ein Identifikationsangebot, erst recht durch die Besetzung dieser Rolle mit Petra Schmidt-Schaller. Selbst die Terroristen sind keine Unmenschen, zumal der Film zwar die Taten, aber nicht die Täter verurteilt; die Kritik am Kapitalismus hat der RAF Mitte in den späten Siebzigern ohnehin viele Sympathien beschert.

Da Alexandre wie fast immer in den letzten Jahren die Kamera geführt hat, ist er selbst und damit auch der Film den Figuren ohnehin sehr nahe. Ein entsprechender Vortrag, in dem Bettina der skrupulösen Sandra noch mal die Motive der Terroristen erläutert, wirkt allerdings, als richte er sich eher an die Zuschauer. Eher überflüssig ist auch das Privatleben des Ermittlers, der sich zwar von seiner Frau (Bernadette Heerwagen) getrennt hat, aber nicht von ihr lassen kann, zumal er ihr ständig über den Weg läuft: Sie ist die Leiterin der Spurensicherung beim BKA.

Vielleicht wollte Georgi auf diese Weise seiner zweiten Hauptfigur zu einem emotionalen Hintergrund verhelfen, aber es hätte vollauf genügt, Kawert und seine Kollegin (Stefanie Stappenbeck) bei der Arbeit zu zeigen, denn diese Ebene ist fesselnd genug. Deshalb kann Alexandre über weite Strecken auch auf gängige Thriller-Mechanismen verzichten, selbst wenn Szenen wie etwa eine misslungene Verhaftung von Klaus, der im letzten Moment über die Dächer fliehen kann, dank entsprechender Inszenierung für viel Spannung sorgen; ganz zu schweigen von dem cleveren Cliffhanger, mit dem der erste Film endet.

Alexandre hat auch kleinere Rollen namhaft besetzt, etwa mit Suzanne von Borsody als Sandras Mutter, Franziska Walser als Frau von Dahlmann oder Alexander Held als intriganter Treuhandmitarbeiter. "Der Mordanschlag" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2018) ist daher auch ein Schauspielerfilm. Dennoch fesselt der Zweiteiler vor allem wegen der vielen offenen Fragen.

Nach wie vor ist zum Beispiel nicht bekannt, wer den Mord an Rohwedder in Auftrag gegeben und ausgeführt hat; Tatsache ist allerdings, dass er gewissen Kreisen sehr genützt hat. Ein Rätsel ist auch, was für eine Rolle ehemalige Stasi-Mitarbeiter bei den Taten der dritten RAF-Generation gespielt haben und unter welchen Umständen der vermeintliche Täter ums Leben gekommen ist. Georgi und Alexandre können und wollen nicht alle Fragen beantworten, und selbstredend erheben sie nicht den Anspruch, ihre Version entspreche der Wirklichkeit; beiden ging es vor allem, wie Alexandre es formuliert, um die "poetische Wahrheit". Den zweiten Teil zeigt 3sat am 18. Februar.