TV-Tipp: "Unter anderen Umständen": "Mord im Watt" + "Spiel mit dem Feuer"

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8. Februar, 3sat, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Unter anderen Umständen": "Mord im Watt" + "Spiel mit dem Feuer"

Skandinavische Krimis erfreuen sich hierzulande seit vielen Jahren einer großen Beliebtheit. Kein Wunder, dass sich auch deutsche Filme inzwischen oft diesen düsteren Stil zu eigen machen. Die ZDF-Reihe "Unter anderen Umständen" spielt ohnehin an der Grenze zu Dänemark. "Mord im Watt", erstmals ausgestrahlt 2011, war damals die sechste Episode.

Judith Kennel, die bis heute sämtliche Folgen gedreht hat, inszeniert den Film wie einen Krimi aus Schweden. Die ruhige Erzählweise ist den herbstlich nebligen Bildern aus Schleswig angemessen, und wenn die Ermittler über die Grenze fahren, scheinen sie eine andere Welt zu betreten. Die Menschen sind zwar freundlich, doch das Verhängnis, das schließlich auch Jana Winter bedrohen wird, hat hier einst seinen Lauf genommen.

Die Geschichte beginnt mit einem Leichenfund: Ein junger Mann ist gefesselt und bei Ebbe im Watt eingegraben worden, so dass er in der steigenden Flut jämmerlich ertrinken musste. Der Junge war erst 17, hatte aber schon ein erschreckendes Vorstrafenregister. Unter anderem hat er gemeinsam mit einem Kumpan (Constantin von Jascheroff) den Besitzer eines Spielwarengeschäfts bei einem Überfall derart zugerichtet, dass die Narben im Gesicht den Mann (Peter Kurth) bis ans Ende seiner Tage an diesen Vorfall erinnern werden.

Seine Freude über den Tod des Täters kommt von Herzen; und ein wasserdichtes Alibi hat er auch nicht. Aber dann tauchen Kripo-Kollegen aus Hamburg auf: Dort ist vor einem Jahr ein Anwalt auf die gleiche Weise ermordet worden. Der hanseatische Kommissar Nielsen (Lars Mikkelsen), ein gebürtiger Däne, hinterlässt bei Jana Winter (Natalia Wörner) einen ganz besonderen Eindruck. Als die Spur des Mörders schließlich in die Vergangenheit und nach Dänemark führt, beginnt sie, Nielsen mit anderen Augen zu sehen. 

"Mord im Watt" ist das erste verfilmte Drehbuch der Schauspielerin Zora Holt, deren Mann Ralph Herforth neben Martin Brambach von Anfang an zum Ensemble der Reihe gehörte. Sie hat ihm gerade in den gemeinsamen Szenen mit Natalia Wörner eine neue, durchaus reizvolle Nuance verliehen. Ohnehin lebt das Drehbuch nicht nur vom rätselhaften Fall, sondern gerade auch von der Tiefe der Figuren.

Quasi als Gaststar zaubert der Film nach einer Stunde Anna Maria Mühe als gehörlose Tochter des dänischen Kommissars aus dem Hut, und prompt gibt die Figur der Geschichte eine unerwartete Wendung. Ein clever erzählter Krimi, der auf gelungene Weise mit der Überzeugung des Zuschauers spielt, dem Täter schon bald auf der Spur zu sein.  

Im Anschluss zeigt 3sat die siebte Episode. Auch "Spiel mit dem Feuer" (2012) wagt sich in grausige Niederungen vor. Nach dem Mord an einem Mitarbeiter des Jugendamtes – der Mann wurde erst niedergeschlagen und dann bei lebendigem Leib geräuchert – entdecken Winter und Hamm (Herphort) im Gartenhaus der Familie Ullmann eine Kammer des Schreckens: Der nunmehr tote Gatte hatte beim Sex offenbar eine ausgeprägte Neigung zur handfest ausgelebten Dominanz. Auch wenn die Funktion der entsprechenden Utensilien nicht näher erläutert wird und die Darbietungen vergleichsweise harmlos sind: Konservative Gemüter wie etwa die Mitglieder des ZDF-Fernsehrates könnten sich allein durch die Erwähnung dieser sexuellen Vorlieben brüskiert fühlen. Der Filmtitel ist also durchaus doppeldeutig.

Der Film spielt das Thema Sadomasochismus zwar nicht spekulativ in den Vordergrund, aber es taucht naturgemäß immer wieder auf, weil die Ermittler den Täter in diesem Umfeld vermuten. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Verdächtigen. Die große Kunst des Drehbuchs von Sören Hüper und Christian Prettin besteht darin, diese Spuren nicht als falsche Fährten ins Spiel zu bringen: Die Nebenstränge der Handlung sind nicht wie etwa oft im "Tatort" bloß die genre-üblichen Ablenkungsmanöver, sondern hängen untrennbar miteinander zusammen.

Auch die Motive sind unterschiedlichster Art: Mal geht es schlicht um Rache, weil Ullmann einem versoffenen Schriftsteller (Thorsten Merten) das Kind weggenommen hat; mal um Eifersucht, weil er in der Frau (Ursula Karven) seines Freundes und Chefs (Peter Prager) sexuelle Gelüste geweckt hat, die der brave Ehemann nicht erfüllen wollte. Auch Ullmanns gedemütigte Gattin hatte gute Gründe, ihren Mann zum Teufel zu wünschen, schließlich fanden die Fesselspiele direkt vor ihren Augen statt. Aber vielleicht hat er bei einer seiner vielen Gespielinnen auch eine Grenze überschritten.

Nicht minder geschickt integrieren Hüper und Prettin, deren Drehbuch so komplex ist wie sonst oftmals nur Romanadaptionen, die private Seite der Hauptfigur. Der Reihentitel bezieht sich ja ursprünglich auf Jana Winters Schwangerschaft. Wörners kleiner Sohn Jacob-Lee (sein Vater Robert Seeliger hat eine winzige Gastrolle) ist nach wie vor mit von der Partie und wird immer wieder gern dramaturgisch in die Handlung eingebaut.

Neben ihren Ermittlungen im Mordfall kümmert sich die Kommissarin um eine Frau, die nach der Trennung von ihrem Ehemann Götz Teding (Johann von Bülow) terrorisiert wird. Der versetzt Winter einen Riesenschreck, als er während ihrer Abwesenheit in ihr Haus eindringt. Der ohnehin einschlägig vorbestrafte Mann bietet sich gleichfalls als Täter an, denn Ullmann hat dafür gesorgt, dass ihm die Kinder entzogen werden. Tatsächlich spielt er beim fesselnden Finale eine entscheidende Rolle.