TV-Tipp: "Wilsberg: Einer von uns"

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11. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wilsberg: Einer von uns"
Das Szenario könnte auch aus einem Roman von Agatha Christie stammen: eine Handvoll Menschen, ein abgelegenes Wasserschloss, eine düstere Botschaft, ein mutmaßlicher Mord und gegenseitige Verdächtigungen; die Tat muss von einer der anwesenden Personen begangen worden sein.

Geschickt nutzt Drehbuchautor Stefan Rogall den Rahmen der Handlung, um dennoch eine typische "Wilsberg"-Geschichte zu erzählen: Ein elitärer Netzwerkclub hat zum Wochenendseminar geladen. Kommissar Overbeck (Roland Jankowsky) will gerade einen Vortrag über das Gewaltmonopol des Staates halten, als auf dem Monitor hinter ihm eine Nachricht erscheint: "Ich weiß, was Sie getan haben. Und bald wird jeder Ihre dunklen Geheimnisse kennen." In der folgenden Nacht hört Anwältin Tessa Tilker (Patricia Meeden) einen Schrei. Sie entdeckt eine blutige Schleifspur, aber bis die anderen kommen, ist das Blut verschwunden. Am nächsten Morgen fehlt einer der Teilnehmenden. Die Juristin bittet Wilsberg (Leonard Lansink) um Hilfe. Der Privatdetektiv und sein Freund Ekki (Oliver Korittke) entdecken Hinweise, die nur einen Schluss zulassen: Enthüllungsjournalist Nielsen (Martin Butzke) ist ermordet worden. Alle Anwesenden hätten ein Motiv, wie sich dank Nielsens Rechercheergebnissen rausstellt: der Unternehmensberater (Christoph Bach) ebenso wie der PR-Spezialist (Lasse Myhr) und die ehrgeizige junge Assistentin aus der Staatskanzlei (Julia E. Lenska). Die Leiche bleibt allerdings unauffindbar, und als sich der Journalist scheinbar aus dem Jenseits meldet, fragt sich Overbeck endgültig, ob sie nicht alle einer makabren Scharade aufsitzen. Doch dann entdeckt Wilsberg im Zimmer der Juristin unwiderlegbare Beweise, die nur einen Schluss zulassen: Sie hat den Mann ermordet.

Natürlich machen sich Regisseur Martin Enlen und sein bevorzugter Kameramann Philipp Timme die Gegebenheiten des Handlungsortes weidlich zunutze. Wie es sich für ein ehrwürdiges Gemäuer dieser Art gehört, gibt es eine Vielzahl verwinkelter dunkler Gänge und sogar eine Geheimtreppe. Die Kamera streift zwar auch mal durch den großzügigen Park, aber ansonsten trägt sich die Handlung größtenteils drinnen zu. Die in der Längsachse gekippte Kamera und die Weitwinkelaufnahmen lassen keinen Zweifel daran, dass hier irgendwas nicht stimmt; die gute Musik (Matthias Weber) liefert die passende Thriller-Atmosphäre. Die gern als Filmkulisse genutzte Burg Bergerhausen in Kerpen (in der Nähe von Köln) ist der perfekte Schauplatz für diesen Krimi, der trotz eines zweiten Mordes eher dem Christie-Prinzip "Mord im Orientexpress" als "Und dann gabs keines mehr" (früher als "Zehn kleine Negerlein" bekannt) folgt. Gerade die Einheit von Zeit und Raum macht den Reiz der Geschichte aus. Enlen, der in den letzten Jahren einige vorzügliche "Wilsberg"-Filme gedreht hat, darunter auch die zumindest vom Handlungsrahmen her ganz ähnlich konzipierte Episode "Gottes Werk und Satans Kohle" (2019), sorgt mit Hilfe moderat eingesetzter Horrorfilmelemente für effektvolle Spannungshöhepunkte. Nicht zu Unrecht weist der besorgte Overbeck gleich zweimal darauf hin, dass niemand allein sein sollte, wenn ein verrückter Killer sein Unwesen in einer alten Burg treibt; aber natürlich stromert ständig jemand auf eigene Faust durchs Gemäuer.

Rogall war in der Vergangenheit ähnlich oft an "Wilsberg" beteiligt wie Enlen; trotzdem ist "Einer von uns" ihre erste Zusammenarbeit. Der Autor hat, Weitsicht oder Zufall, bereits sechs Folgen zuvor beim ansonsten eher schwachen zweiten Norderney-Gastspiel der Reihe ("Wellenbrecher", 2019) eine Figur eingeführt, die nun als Nachfolgerin von Alex (Ina Paule Klink) zum festen Ensemble gehört. In Wilsbergs Beschreibung klingt das so: "klug, schlagfertig, hat Humor, sieht ganz gut aus." Zumindest der letzte Punkt ist eine maßlose Untertreibung, doch nicht nur deshalb ist Patricia Meeden als Anwältin eine echte Verstärkung für die Reihe: Ekki und Alex waren befreundet, aber zwischen Ekki und Tessa knistert es gleich, zumal sie ihn mit Komplimenten überschüttet. Der Rest ist "Wilsberg"-Routine, aber auf hohem Niveau. Overbeck darf sich zwar wieder mal mit seiner "Ich lös’ den Fall auf jeden Fall"-Attitüde blamieren, hat aber wie stets einige wunderbare Einzeiler (unter anderem bezeichnet er Wilsberg und Ekki als "die zwei Fragezeichen") und bricht zudem eine Lanze für den Journalismus, selbst wenn in Nielsens Kleiderschrank eine Zeitungsente hockt; eine witzige Variation des neben der Erwähnung von Bielefeld zweiten "running gags" der Reihe.