Glocken schweißten Katholiken und Protestanten zusammen

Festzug, mit dem die protestantische Kirchengemeinde in Steinwenden 1951 ihre drei Glocken in Betrieb nahm.
© epd-bild/Roland Paul Archiv
Nach den beiden Weltkriegen setzte in ganz Deutschland ein "Glockenboom" ein, nachdem die alten Glocken von den Nationalsozialisten abgehängt und zu Waffen umgeschmolzen worden waren .
Boom nach Weltkrieg
Glocken schweißten Katholiken und Protestanten zusammen
Die leeren Glockenstühle nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg schmerzten viele Christen. Die jeweiligen Machthaber hatten die Bronzeglocken abgehängt und zu Kanonen umgeschmolzen. Eifrig sammelten die Kirchengemeinden damals Geld für neue Glocken.

Es fehlte den Menschen nach der schlimmen Zeit etwas Wichtiges: Der Kirchturm war leer, die Glocken riefen nicht mehr zum Gottesdienst, zur Taufe oder zur Beerdigung. Während des Zweiten Weltkriegs hatten die Nationalsozialisten auch in der evangelischen Kirche in Steinwenden im Landkreis Kaiserslautern die großen, schweren Bronzeglocken abgehängt und abtransportiert. Sie wurden vernichtet - umgegossen zu Kanonen.

Nach den beiden Weltkriegen, etwa ab 1921 und ab 1948, setzte in ganz Deutschland ein "Glockenboom" ein, erzählt der Historiker Roland Paul. Für seine Heimatgemeinde Steinwenden hat ehemalige pfälzische Landessynodale nun aufgearbeitet, wie die evangelische Kirche vor 70 Jahren wieder zu drei neuen Glocken kam. Mit einem großen Volksfest wurden beim Erntedankfest 1951 die Totenglocke "Golgatha", die Betglocke "Wartburg" und die Taufglocke "Bethlehem" in Betrieb genommen.

Der Kriegsverlust der alten Glocken war für viele Zeitgenossen schmerzlich, sagt der Historiker Paul. Schließlich waren sie "ein Stück verlorene Heimat". Spendensammelnd von Haus zu Haus trugen die Menschen in den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren das nötige Geld zusammen.

 

Nicht nur für die Steinwendener, auch an vielen anderen Orten sei die Anschaffung neuer Glocken in den ersten Jahren der neuen Bundesrepublik, "ein Kraftakt" gewesen, erzählt Paul. Wichtig seien gerade für die Pfalz die Bittbriefe an die Exilpfälzer vor allem in den USA gewesen. Für den "Verein der Mackenbacher in New York" etwa war es "eine Ehrensache", den Menschen in der alten Heimat beim Kauf neuer Glocken unter die Arme zu greifen, sagt Paul.

Oft arbeiteten bei den Glockenprojekten Protestanten und Katholiken eng zusammen, betont der Ruhestandspfarrer und Historiker Bernhard Bonkhoff aus dem saarpfälzischen Homburg. Auch hätten die Kirchengemeinden darauf geachtet, den Klang ihrer Glocken aufeinander abzustimmen, sagt Bonkhoff, der mehrere Werke über das Thema Glocken in der Region verfasst hat: "Die Ökumene begann auf den Kirchtürmen." Manchmal seien resonanzärmere Gussstahlglocken angeschafft worden - auch um zu vermeiden, dass sie wieder in Kriegszeiten abgehängt und zu Waffen gegossen werden könnten.

Die Zahl der in Deutschland nach 1918 und 1945 insgesamt angeschafften Glocken wurde allerdings nicht erfasst, wie der Erfurter Glockensachverständige Marcus Schmidt erklärt. Er gehört dem ökumenischen Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen an, der von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz eingesetzt wurde.