TV-Tipp: "Toni, männlich, Hebamme: Gestohlene Träume"

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22. Oktober, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Toni, männlich, Hebamme: Gestohlene Träume"
Als der bekannte Musikproduzent die Sängerin nach ihrem Auftritt in einem Club anspricht und ihr einen Vertrag in Aussicht stellt, scheint der Durchbruch zum Greifen nah. Der Mann lädt sie zu einer Party in seiner riesigen Villa ein, zeigt ihr sein privates Tonstudio und wird zudringlich.

Die Frau verzichtet jedoch auf eine Anzeige: Sie fürchtet, es stünde Aussage gegen Aussage; außerdem hat sie Angst um ihre Karriere.

Die Parallelen zu den Vorwürfen gegen den verurteilten Filmproduzenten Harvey Weinstein sind offenkundig. Seine Untaten fanden erst ein Ende, als eine Schauspielerin den Mut hatte, mit ihren Vorwürfen in die Öffentlichkeit zu gehen; daraus entstand eine Bewegung, die als „MeToo“ („Ich auch“) bekannt wurde. Für einen Freitagsfilm im „Ersten“ ist eine Vergewaltigung allerdings ein eher ungewöhnliches Thema, schließlich dient der Termin vor allem dem Zeitvertreib; die Reihe „Toni, männlich, Hebamme“ steht ohnehin für Komödien. Ließ sich der vorwiegend heitere Tonfall bei der letzten Episode („Nestflucht“), als Tonis Teenagertochter schwanger wurde, noch problemlos durchhalten, so ist das Sujet des sechsten Films, „Gestohlene Träume“, viel zu ernst, um es komisch anzugehen. Für witzige Momente sorgen Sebastian Stojetz und Regisseurin Sibylle Tafel, die alle Drehbücher der Reihe gemeinsam verfasst haben, nur auf der horizontalen Ebene, weil Toni (Leo Reisinger) zwischen seiner Praxiskollegin Luise (Wolke Hegenbarth) und Ex-Frau Hanna (Kathrin von Steinburg) hin und hergerissen ist.

Im Zentrum der Geschichte steht jedoch Jella (Antonia Bill), mit der Toni gleich mehrfach verbunden ist: Sie singt in der Band seines Freunds und Mitbewohners Franzl (Frederic Linkemann) und ist die neue Praxishilfe. Außerdem zieht sie den Geburtshelfer ins Vertrauen: Kurz nach der Party bei dem Produzenten stellt sie fest, dass sie schwanger ist. Natürlich will sie das Kind nicht zur Welt bringen, aber als ihr Freund Enzo (Deniz Arora) zufällig den Schwangerschaftstest im Müll entdeckt, ist er vor Freude völlig aus dem Häuschen und macht ihr prompt einen Heiratsantrag; von der Vergewaltigung hat sie ihm nichts erzählt. Toni wiederum kennt den Musikproduzenten (Johannes Allmayer), weil dessen hochschwangere Frau (Isabell Gerschke) seine Patientin ist.

Wie in sämtlichen Filmen der Reihe ist schon allein Tafels Arbeit mit dem Ensemble ein Einschaltgrund. Die Mitwirkenden in den Nebenrollen machen ihre Sache ebenfalls ausgezeichnet. Auch Marcel Mohab, der in „Nestflucht“ kleine, aber sehr amüsante Akzente als verständnisvoller Polizist setzen durfte, ist wieder mit von der Partie; dass Luise erneut ein Senfmalheur verursacht, ist die witzige Fortsetzung eines ähnlichen Gags aus dem letzten Film. Gleichfalls lustig ist ein Rollenspiel, mit dem Hanna, die sich zuvor schon während der Mittagspause einige Male „heimlich“ mit ihrem Ex im Hotel getroffen hat, den Entbindungspfleger nach Feierabend in der Praxis überrascht. Luise findet das allerdings überhaupt nicht komisch, zumal sie Toni gerade erst geküsst hat, als eine gemeinsame Malaktion in der Kindertagesstätte ein bisschen eskaliert ist; die Frauenärztin hat ihn kurzerhand zum Vater ihres Babys erklärt, weil die kleine Lotta als Tochter einer alleinerziehenden Mutter nicht aufgenommen worden wäre. Da Luise die Abwesenheit des vermeintlichen Gatten beim Bewerbungsgespräch mit dessen Dienstreise begründet hat, erfindet Toni bei seiner Vorstellung kurzerhand die Hilfsorganisation „Hebammen ohne Grenzen“.

Von Szenen dieser Art abgesehen wird „Gestohlene Träume“ jedoch vom zentralen Thema geprägt. Sehr realitätsnah schildern Stojetz und Tafel, wie hilflos sich Jella fühlt. Was tatsächlich im Studio vorgefallen ist, reicht der Film später nach, als die Regisseurin den Vortrag eines Liebeslieds durch kurze Aufnahmen der zu Beginn nicht gezeigten Vergewaltigung unterbricht; ein ebenso schockierender wie wirkungsvoller Kontrasteffekt. Gemessen an der Seriosität dieses Handlungsstrangs wirkt die Nebenebene mit Franzls Beziehung fast ein wenig halbseiden. Schon im letzten Film war es wenig glaubwürdig, dass er fürchtete, Evi (Juliane Köhler) würde keine Familie mit ihm gründen, wenn er als Babysitter bei Lotta versagt; dabei müsste er als bester Freund einer männlichen Hebamme eigentlich wissen, dass die deutlich ältere Frau schon längst keine Kinder mehr bekommen kann. Evi beendet die Beziehung, weil sie Franzls Traum von einer Familie nicht erfüllen kann und keine Lust hat, seine „Mutti“ zu sein; aber selbstverständlich ist auch das nicht das letzte Wort.