TV-Tipp: "Ella Schön: Familienbande"

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10. Oktober, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Ella Schön: Familienbande"
Es ist natürlich Zufall, dass die achte "Ella Schön"-Episode nicht gegen einen Sonntagskrimi, sondern gegen ein Fußballspiel läuft, denn als sie gedreht worden ist, konnte das ZDF nicht mit einem möglichen Zuschauerzuwachs rechnen; aber so schauen womöglich einige "Tatort"-Fans mal ins "Zweite" rein.

Das "Herzkino" hat zwar zumindest beim anspruchsvollen Publikum keinen sonderlich guten Ruf, doch Hauptdarstellerin von "Ella Schön" ist immerhin Annette Frier. Da trifft es sich gut, dass sich die Titelfigur zu Beginn des Films gleich mal vorstellt: Die Frau ist eine hochbegabte Juristin, hat aber das Asperger-Syndrom; mangelnde Sozialkompetenz sowie die Unfähigkeit, Kompromisse zu schließen, haben ihr regelmäßig einen Strich durch alle Karrierehoffnungen gemacht. Vor einiger Zeit hat das Schicksal sie von Frankfurt nach Fischland verschlagen: Nach dem Tod ihres Mannes stellte sich raus, dass der Gatte im dortigen Zweitheim auch ein zweites Leben führte. Weil Zweitfrau Christina (Julia Richter) samt ihren Kindern ein Wohnrecht auf Lebenszeit hat, die beiden Frauen nach allerlei Anfangsproblemen überraschend gut miteinander auskommen und gerade die kleine Klara (Zora Müller) die seltsame Ella als Zweitmutter adoptiert, bleibt sie schließlich an der Ostsee, zumal sie beim väterlichen Anwalt Kollkamp (Rainer Reiners) ein Referendariat absolvieren kann; außerdem hat sie sich in den griechischstämmigen Elektriker Jannis (Joseph Heynert) verliebt.

Soweit die Vorgeschichte, die ähnlich wie in den fürs gleiche Publikum gedachten ARD-Medicals "Die Eifelpraxis" oder "Praxis mit Meerblick" in jeder Folge weitererzählt wird; zusätzlich wird Ella jeweils mit einer in sich abgeschlossenen juristischen Herausforderung konfrontiert. In "Familienbande" wird auf diese Weise die mit den beiden Frauen befreundete Dorfladenbesitzerin zur Episodenhauptfigur: Henni (Gisa Flake) ist mit einem Bruder geschlagen, den man wohlwollend als Tunichtgut bezeichnen könnte; tatsächlich ist er ein kleinkrimineller Versager. Thema des Films ist die emotionale Abhängigkeit: Obwohl ihr klar ist, dass all’ ihre Bemühungen, Axel (Max Beck) auf den rechten Weg zu helfen, vergebens sind, scheut Henni weder Kosten noch Mühe. Ihre Hippie-Mutter (Gitta Schweighöfer) ist keine Hilfe, da sie komplett ausblendet, dass ihr Sohn ein Taugenichts ist. Als Henni eine Straftat Axels deckt, droht ihr sogar eine Haftstrafe.

Weitaus interessanter ist allerdings die horizontale Ebene, weil Elke Rössler, die sich mit Simon X. Rost bei den Drehbüchern abwechselt, die Geschichte der letzten Episode ("Land unter") fortsetzt: Christina hat ihre Jugendliebe bei sich aufgenommen. Musiker Nils (Marc Ben Puch) ist der Erzeuger ihres fast erwachsenen Sohnes Ben (Oscar Brose), hat sie aber damals mit dem Kind sitzengelassen. Ben hat sich zwar gefreut, endlich seinen Vater kennenzulernen, doch dass sich Nils nun in seine Erziehung einmischt, gefällt ihm gar nicht; und Klara beschwert sich, dass die neuverliebte Mutter keine Zeit mehr für sie hat. Kurzerhand solidarisieren sich die beiden Sprösslinge mit Ella, die wiederum Nils schon deshalb nicht mag, weil er die eingespielten Strukturen durcheinanderbringt. Da Christina nicht gezwungen sein will, sich zwischen den beiden zu entscheiden, arrangiert sie einen Termin zu zweit, bei dem Ella für Nils ihr bisheriges Leben zusammenfasst; Freunde werden die beiden trotzdem nicht. Zu allem Überfluss hat Jannis beim Besuch der alten Heimat seine Jugendliebe geschwängert und will sich seiner Verantwortung stellen.  

Das mag alles nicht sonderlich weltbewegend klingen, zumal der Sonntag im ZDF ja ohnehin in erster Linie dem angenehmen Ausklang des Wochenende dienen soll, ist aber handwerklich mehr als bloß solide (Regisseur Holger Haase hat auch die letzten drei Episoden inszeniert) und vor allem sehr ansprechend gespielt. Die scheinbar einfachste Rolle hat dabei Annette Frier, denn sie muss im Grunde bloß keine Miene verziehen; das Maskenbild betont zudem ihre Robotermimik. Vermutlich ist das aber gar nicht so leicht wie gedacht, zumal die Kölnerin über eine natürliche Herzlichkeit verfügt, die sie für diese Rolle konsequent unterdrücken muss. Auch sprachlich ist Ella eine echte Herausforderung, da Frier ihre Dialoge völlig emotionslos vortragen muss. Im letzten Film kam noch hinzu, dass Ella angesichts gleich mehrerer erheblicher Stressfaktoren in eine bizarre Form des Stotterns verfiel, weil sie zwanghaft Luftklavier spielte und dazu die entsprechenden Noten in die Dialoge einflocht.

Natürlich haben Haase und Kameramann Hendrik A. Kley für eine schöne Sommeroptik gesorgt, schließlich sind prächtige Landschaftsaufnahmen ein Markenzeichen der "Herzkino"-Filme, aber unbedingt zu erwähnen ist auch die Arbeit von Anne Jendritzko. Während das Kostümbild bei Frier nicht viel Auswahl hat, da Ella schwarzweiße Kleidung bevorzugt, ist Christina ein Paradiesvogel mit einer offenbar grenzenlos Auswahl origineller T-Shirts. Das Haus der beiden Frauen ist ohnehin ein Traum, zumal die Ausstattung (Adrienne Zeidler) viele kleine Entdeckungen bereithält.