TV-Tipp: "Die Jägerin: Nach eigenem Gesetz"

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13. September, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Die Jägerin: Nach eigenem Gesetz"
Auf den ersten Blickte wirkte der ZDF-Thriller "Gegen die Angst" mit Nadja Uhl als Berliner Staatsanwältin wie ein weiterer Krimi nach dem Schema "Allein gegen die Mafia".

Kern der Geschichte war zwar Judith Schraders Kampf gegen einen libanesischen Verbrecher-Clan, aber tatsächlich war der Film eine geschickte Mischung aus Thriller, Drama und tragischer Romanze. Die Fortsetzung "Nach eigenem Gesetz", nun mit dem Reihentitel "Die Jägerin" versehen, scheint nach ähnlichem Muster zu funktionieren: Diesmal legt sich die Juristin mit einer Rockerbande an, die über Leichen geht. Dank einer leichten Verschiebung der Perspektive gelingt es Robert Hummel jedoch erneut, eine gänzlich andere Geschichte zu erzählen. Schrader steht nach wie vor im Zentrum der Handlung, unterstützt diesmal allerdings die Ermittlungen des LKA; "Nach eigenem Gesetz" ist daher vor allem ein Polizeifilm. Der Titel deutet zudem an, in welche Richtung sich die Sache entwickelt.

Regie führte wie schon bei "Gegen die Angst" Andreas Herzog, der nicht erst mit dem Terrorzweiteiler "Verlorene Sicherheit" (2017) aus der ZDF-Reihe "Unter Verdacht" bewiesen hat, wie ausgezeichnet er Spannung zu erzeugen weiß. Der Film beginnt mit einem fesselnd inszenierten Raubüberfall auf offener Straße: Gangster stoppen einen Geldtransporter. Zivilfahnder Pollmann (Jörg Schüttauf) ist in der Nähe und mit seinem Kollegen als erster am Tatort. Umgehend eröffnen die mit Schnellfeuerwaffen und einer Panzerfaust ausgerüsteten Verbrecher das Feuer; die beiden Polizisten haben keine Chance, zumal ausgerechnet jetzt Pollmanns Waffe Ladehemmung hat. Zwei der Gangster nehmen eine junge Frau als Geisel; wenig später wird sie tot in einem Waldstück gefunden. Das Ermittlerteam rund um Hauptkommissar Montag (Dirk Borchardt war schon im ersten Film dabei) braucht dank Funkzellenüberwachung, Telefonauswertung und anderer kriminaltechnischer Details nicht lange, um die Schuldigen zu finden: In Berlin macht sich gerade eine Rockergang breit, die offenbar in großem Stil in der organisierten Kriminalität mitmischen will. Bei der Verhandlung gegen Rockerchef Boskov (Branco Tomovic) und seine Schergen trifft Schrader erneut auf ihre Widersacherin aus dem Kampf gegen die Libanesen: Strafverteidigerin Marquart (Judith Engel) ist eine Frau mit sanfter Stimme, aber knallharten Argumenten, die kurzen Prozess mit den Indizien macht – Freispruch aus Mangel an Beweisen. Als kurz drauf einer der Geiselnehmer im Hauptquartier der Rocker erschossen wird, ahnt die Staatsanwältin, dass ein frustrierter Polizist Selbstjustiz verübt hat.

Da Herzog und Hummel, der als Schöffe direkten Einblick in die Szene der Bandenkriminalität hat, früh verraten, dass Pollmann auf eigene Rechnung mit den Rockern abrechnen will, hat ihr Film drei Hauptfiguren. Montag und Schrader, beide Single, sind sich sehr ähnlich und ertränken ihren Frust über den Freispruch bei einem feuchtfröhlichen Abend, der allerdings vor der Haustür der Staatsanwältin endet; derweil rüstet sich der Zivilfahnder für seinen Feldzug. Der Film steuert auf ein doppeltes Finale mit zwei Dreiergruppen zu. Auf beiden Ebenen mischt der Tod mit: Schrader will Pollmann daran hindern, Boskov zu ermorden, aber das wird ihr nur gelingen, wenn Montag rechtzeitig die Waffe findet, mit der der Rockerchef die junge Frau erschossen hat. Der zweite Geiselnehmer (Pit Bukowski) soll ihn zu dem Versteck führen; aber Boskov hat einen Maulwurf im LKA.

Sehenswert ist der sorgfältig fotografierte und mit Actionklängen unterlegte Film (Kamera: Björn Knechtel, Musik: Chris Bremus) auch wegen der trockenen Dialoge und einiger cleverer Parallelmontagen. Ein besonderer Reiz liegt jedoch in der Kombination von Szenen wie dem effektvollen Hochspannungsauftakt auf der Berliner Rathausbrücke und den diversen Denkanstößen. Dank der Verkörperung durch Jörg Schüttauf ist Pollmann ein Sympathieträger, dessen Klagen durchaus nachvollziehbar sind: Die Polizei ist überfordert und unterbesetzt, ihre Ausrüstung veraltet; hilflos müssen die Beamten dabei zusehen, wie die Verbrecher feixend als freie Männer den Gerichtssaal verlassen. Pollmann, dessen Ein-Mann-Feldzug durch ein weiteres Drehbuchdetail zusätzliche Plausibilität erhält, spricht von "Kapitulation auf Raten": "Ein Staat, der seine Bürger nicht mehr schützen kann, ist kein Staat mehr." Die Staatsanwältin ist dagegen selbstverständlich überzeugt, niemand dürfe seine eigene Moral über das Gesetz stellen. Das Ende des Films ist erwartbar, aber dennoch bedrückend.