TV-Tipp: "Tatort: Rhythm and Love"

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TV-Tipp: "Tatort: Rhythm and Love"
Sonntag, 2. Mai, ARD, 20.15 Uhr
"Rhythm and Love" erzählt eine im Grunde ganz simple Geschichte. Die größere Enttäuschung ist aber die Tatsache, dass der 39. "Tatort" aus Münster nicht seinem vielversprechenden Titel gerecht wird. Zudem fußt praktisch die gesamte Geschichte auf einem Fauxpas, der sich ganz einfach aus der Welt schaffen ließe.

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn’s dem bösen Nachbarn nicht gefällt: Auf dieser Devise basieren die meisten TV-Krimis, wobei sich "Nachbar" wahlweise durch Eheleute, Verwandte oder Kollegen ersetzen lässt. "Rhythm and Love" erzählt so etwas auch. Enttäuschend ist es, dass dieser  "Tatort" nicht seinem vielversprechenden Titel gerecht wird. Außerdem fußt praktisch die Story auf einem Fauxpas, der sich ganz einfach aus der Welt schaffen ließe. Die Antwort auf die daraus resultierende Frage – "Warum lässt sie nicht einfach beide untersuchen?" – wäre das Schwert, mit dem sich der Gordische Handlungsknoten durchschlagen ließe; so jedoch schwebt die Frage wie ein Damokles-Schwert über dem Film.

Auf den Prolog, in dessen Verlauf ein Mann von einem Liebesnest zum nächsten wechselt, folgt der obligate Leichenfund. Das Opfer ist Maik Koslowski. Der Mann hat in einer nahen Bauwagenkommune Seminare wie "Sexualität und Tantra" oder "Trommeln und Ekstase" gegeben und außerdem in Polyamorie gelebt, er führte also mit dem Einverständnis aller Beteiligten mehrere Liebesbeziehungen.

Hauptkommissar Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) glauben nicht, dass so etwas funktionieren kann. Sie vermuten daher, dass der Mörder aus Maiks Umfeld stammt; Eifersucht ist schließlich das klassischste aller Krimimordmotive.

Tatsächlich hatten nicht nur ausgerechnet der Polizeipressesprecher (August Wittgenstein), sondern auch dessen Frau (Patrycia Ziolkowska) ein Verhältnis mit Maik. Außerdem mischt noch ein katholischer Priester (Nikolai Kinski) mit, aus dem Thiel allerdings nicht recht schlau wird, zumal der Mann mit Hinweis aufs Beichtgeheimnis jegliche Kooperation verweigert. Kein Wunder, dass Boerne schließlich entnervt von "Beziehungs-Gesummse" spricht, aus dem er sich lieber raushalten möchte; selbst wenn er Maiks Kollegin Ines (Maelle Giovanetti) zuliebe sogar an einem Kurs teilnimmt, dem der Film seinen Titel verdankt.

Als der Rechtsmediziner bei der Untersuchung des Leichnams ein dunkles Haar entdeckt, das offenkundig nicht von dem blonden Toten sein kann, wähnt er sich nur einen DNS-Test von der Lösung entfernt, doch jetzt konstruiert Drehbuchautorin Elke Schuch jenes Malheur, das den Film eine Stunde lang auf der Stelle treten lässt.

Weil ein Luftzug das Tütchen mit dem Haar vom Tisch weht, hat Boernes Assistentin Haller (ChrisTine Urspruch) ein echtes Problem: Auf dem Fußboden findet sie zwar das Corpus Delicti, aber auch ein zweites Haar. Die meisten Menschen würden nun einfach beide ins Labor geben. Warum Haller das nicht tut, bleibt ein Rätsel, das der Film bis zum Schluss nicht auflöst. Die einzige schlüssige Antwort ist daher dramaturgischer Natur: weil die Geschichte dann schon nach wenigen Minuten zu Ende wäre.

Da die Krimiebene ohnehin überschaubar ist, hat sich die Autorin noch weitere Fehlbarkeiten ausgedacht: Haller findet Trost bei Mirko Schrader (Björn Meyer) und Kakao mit Rum. Thiels stark übergewichtiger Mitarbeiter gesteht ihr, dass er einst bei seiner Bewerbung ein Sportabzeichen gefälscht hat. Weil er außerdem angeblich Karate kann, soll er beim Polizeisportfest seine nicht vorhandenen Fähigkeiten demonstrieren. Auch Boerne bangt um seinen guten Ruf: Er hat bei einer wissenschaftlichen Publikation womöglich nicht korrekt zitiert und rechnet nun quasi stündlich damit, öffentlich des Plagiats bezichtigt zu werden.

Vermutlich hätte aus diesem Konglomerat trotzdem ein unterhaltsamer Krimi werden können, aber Brigitte Maria Berteles Inszenierung ist ausgesprochen arm an Höhepunkten. Die Ermittlungen plätschern unaufgeregt vor sich hin, und selbst die Wortgefechte zwischen Thiel und Boerne, für die meisten Fans des "Tatort" aus Münster der wichtigste Einschaltgrund, lassen die gewohnte Bissigkeit vermissen.

Autorin Schuch hat diverse Folgen für die Vorabendserie „Großstadtrevier“ geschrieben und war auch an der heiteren Schwabenserie "Die Kirche bleibt im Dorf" beteiligt. Schon ihr erstes Drehbuch für Prahl und Liefers, "Feierstunde" (2016), hat bei der Umsetzung durch Lars Jessen bloß zu einem seltsam saft- und kraftlosen Film geführt: Aus der Geschichte eines Kollegen, der sich an Boerne rächen will, hätte eigentlich ein Thriller werden müssen, aber das Ergebnis war ausgesprochen beschaulich.

Regisseurin Bertele wiederum, für „Nacht vor Augen“ (2008) und "Grenzgang" (2013) jeweils mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, hat bislang lauter gute Sonntagskrimis gedreht. Ihr "Tatort"-Debüt war 2019 das Dienstjubiläum von Lena Odenthal, "Die Pfalz von oben". 2020 folgten "Das perfekte Verbrechen", ein clever konstruierter "Tatort"aus Berlin über Jurastudenten, die sich für unantastbar hielten, sowie ein zunächst unauffällig inszenierter, aber vorzüglich gespielter "Polizeiruf" aus Magdeburg, "Der Verurteilte". Dessen Handlung mündete in ein Finale, das an den Nerven zerrt.

Davon kann bei "Rhythm and Love" nicht mal ansatzweise die Rede sein. Die Musik (Christian Biegai, Kerim König) ist allerdings klasse und passt mit ihrem entspannten Blues zum gemächlichen Tempo des Films.