TV-Tipp: "Spuren des Bösen: Schuld" (ZDF)

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TV-Tipp: "Spuren des Bösen: Schuld" (ZDF)
12.4., ZDF, 20.15 Uhr
Nach zehn Jahren schließt sich der Kreis: Mit "Schuld" endet ein Zyklus, der im ORF bereits 2011 begonnen hat (im ZDF erst 2012) und seinen Helden in nahezu jedem Fall an dessen Grenzen geführt hat. Der neunte Film der Reihe führt erneut vor Augen, wie raffiniert Drehbuchautor Martin Ambrosch seine Saga vom einsamen Kämpfer gegen das Böse in der Welt angelegt hat.

Richard Brocks Containerbüro zeigt ein für Außenstehende vollkommen undurchschaubares Geflecht von Fotos und Notizen, in dem fast alle Figuren auftauchen, mit denen es der Kriminalpsychologe bislang zu tun hatte. Die Übersicht – im Thriller stets ein unzweifelhaftes Signal für Besessenheit – dokumentiert eine Verschwörung, in deren Zentrum wie die Spinne im Netz Brocks Gegenspieler auf Beute lauert. Schon beim ersten gemeinsamen Fall ("Racheengel", 2012) hat Gerhard Mesek, Dienststellenleiter der Wiener Kriminalpolizei, keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen Brock gemacht. Da konnte der Psychologie freilich noch nicht ahnen, dass sich Mesek, von Juergen Maurer stets mit einer Aura tiefer Düsternis umgeben, im Lauf der Jahre zu seinem Todfeind entwickeln würde.

Mit "Schuld" endet mutmaßlich auch eine der besten Krimireihen im deutschen Fernsehen. Die Entscheidung verdient Respekt, ist aber konsequent. "Spuren des Bösen" war von Anfang an das Werk dreier kongenialer Künstler: Die Bücher stammten stets von Ambrosch, Regie führte Andreas Prochaska, für die Bildgestaltung war David Slama verantwortlich. Die Feststellung, der mit allen wichtigen deutschen Kino- und Fernsehpreisen ausgezeichnete Kameramann habe der Reihe seinen Stempel aufgedrückt, würde seinem Anteil nicht gerecht; allein sein kunstvolles Spiel mit Licht und Schatten hat jeden Film sehenswert gemacht. Slama ist im Oktober 2020 gestorben; "Schuld" ist eine seine letzten Arbeiten gewesen.

Schon der Auftakt des Films ist ein optisches Kunstwerk: Nach einem langen Schwenk durch die Nacht verharrt der Kamerablick auf einer scheinbar endlosen Containerreihe. Im Zentrum des Bildes steht eine Tür offen, heraus fällt organgefarbenes Licht. Der warme Farbfleck wird für die nächsten neunzig Minuten der einzige Anflug einer gewissen Heimeligkeit bleiben, aber selbst dieser Schein trügt, denn in dem Container sitzt Brock mit blutigen Händen, eine Pistole neben sich. Ansonsten ist der Raum leer, wie sich allerdings erst später offenbart, denn nun trägt der Film nach, was sich in den letzten drei Tagen ereignet hat.

Anders als in den oft ungewöhnlich dicht erzählten bisherigen Episoden passiert in "Schuld" allerdings erst mal lange Zeit nichts. Taxifahrer Tauber (Gerhard Liebmann), früher Wirt von Brocks Stammlokal und mittlerweile sein einziger Vertrauter, observiert den von Maurer über weite Strecken wortlos, aber gewohnt finster verkörperten Mesek, der wiederum verfolgt, was Brock so treibt. Für eine gewisse Abwechslung sorgen allein die herzhaften Dialoge von Haushälterin Anni (Gerda Drabek), die nicht besonders gut auf Brocks neue Freundin zu sprechen ist. Seit dem letzten Fall ("Sehnsucht", 2019) sind sieben Monate vergangen. Brock und die von seiner Tochter Petra (Sabrina Reiter) um Hilfe gebetene Psychiaterin Brigitte Klein (Katrin Bauerfeind) sind seither ein Paar, aber die Liebe hat deutliche Risse bekommen, weil er sie nicht mit seinen Dämonen behelligen will. Abgesehen davon pflegt der seit dem Tod seiner Frau verbitterte Witwer ohnehin regelmäßig alle vor den Kopf zu stoßen, die es gut mit ihm meinen. Die erste Hälfte des Films ist daher vor allem Drama.

Die Rückblende beginnt mit einem  Seminar, in dem Brock über Geheimnisse doziert: Tief in uns drin erschaffen wir eine zweite Welt, in der wir all das verstecken, was möglicherweise kein gutes Licht auf uns wirft. Brocks verborgener Raum ist sein Container. Dort hält er sich auf, wenn er angeblich in der Uni ist; kein Wunder, dass Brigitte immer mehr Zeit mit ihrer Ex-Freundin, der Journalistin Eva Rieper (Ulli Maier), verbringt. Brock will sie schützen, doch sie interpretiert sein Schweigen als eklatanten Mangel an Vertrauen; die Beziehung ist am Ende. Weil seine Beweise nicht genügen würden, um Mesek vor Gericht zu bringen, sucht er nach einem anderen Weg, doch als sich der korrupte Polizist in die Enge getrieben sieht, schlägt er erbarmungslos zurück; Brock gilt nun als Mörder. Tauber, neben Petra der letzte Mensch, der noch zu ihm steht, versteckt ihn in einem Kellerloch. Die Mission des Psychologen scheint gescheitert. Eine Möglichkeit gäbe es allerdings doch, Meseks mörderisches Treiben zu beenden, aber dafür ist er ausgerechnet auf die Hilfe der Journalistin angewiesen.