TV-Tipp: "Ku’damm 63"

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TV-Tipp: "Ku’damm 63"
22. März, ZDF, 20.15 Uhr
Die Fortsetzung der "Ku'damm"-Reihe erzählt die Geschichte ihrer drei Protagonistinnen Sonja, Emilia und Maria weiter. Bei Regie und Drehbuch hat ein Wechsel stattgefunden.

Womöglich ist es schon erstaunlich und eindrucksvoll genug, dass es dem ZDF und der Produktionsfirma UFA Fiction gelungen ist, mit "Ku’damm 56" und der Fortsetzung "Ku’damm 59" zwei Trilogien auf höchstem Niveau zu erzählen. Die erste Staffel (2016) verknüpfte auf kongeniale Weise die Zeit des Wirtschaftswunders mit dem Erwachsenwerden dreier Schwestern, deren Rollen mit Sonja Gerhardt, Maria Ehrich und Emilia Schüle glänzend besetzt waren. Staffel zwei (2018) war trotz diverser Dramen und Tragödien große Unterhaltung. Die drei Schöllack-Töchter schienen ihren Platz im Leben gefunden zu haben; eine Gewissheit, die sich in der dritten Staffel als trügerisch erweist.

Trotzdem können die Filme sieben bis neun die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen, was womöglich auch mit einem Wechsel hinter der Kamera zu tun hat: Die Drehbücher stammen nicht mehr von Grimme-Preisträgerin Annette Hess ("Weissensee"), die das Projekt aber noch als "Creative Producer" begleitete. Die Verantwortung lag nun bei Marc Terjung, Schöpfer der Sat.1-Serien "Edel & Starck" sowie "Danni Lowinski", als Chef eines Autorenteams. Regie führte nach Sven Bohse Sabine Bernardi; sie hat bislang neben zwei sehenswerten Episoden für die ZDF-Reihe "Kommissarin Lucas" die überraschend bissige Urlaubskomödie "Ein Ferienhaus auf Teneriffa" (ein Freitagsfilm im "Ersten", 2019) sowie einen sehenswerten NDR-Tatort" über Fracking ("Böser Broden", 2017) gedreht.

Inhaltlich hat sich hingegen zunächst nicht sonderlich viel geändert, zumal die drei jungen Frauen ihre Sturm-und-Drang-Phase hinter sich haben. Daran ändert auch der Schock zum Auftakt nichts, als Mutter Schöllack (Claudia Michelsen) an Heiligabend von einem Bus erfasst wird und ihre Tanzschule wegen eines Wirbelbruchs vorerst nicht weiterführen kann. In ihre Fußstapfen tritt die gern konservative Reden schwingende Tochter Helga (Ehrich), die sich prompt zu einer ähnlich dominanten Nervensäge entwickelt. Eva (Schüle) hat einen cleveren Weg gefunden, sich mit dem Despotismus ihres Gatten Jürgen (Heino Ferch) zu arrangieren, und findet Erfüllung in ihrer Kunstgalerie; bis Jürgen dafür sorgt, dass sich das Blatt wendet. Einzig Monika (Gerhardt) ist zunächst mit ihrem Mann (Sabin Ambrea) glücklich; das ändert sich, als sie eine Fehlgeburt hat und Joachims Gedanken immer düsterer werden. Außerdem kann sie ihre musikalischen Ambitionen nach wie vor nicht umsetzen.

Diesen vorgegebenen Rahmen füllt das Autorentrio mit vielen kleinen und großen Geschichten, die zum dritten Mal eine Garantie für Kurzweiligkeit sind. Einziges Manko ist der fehlende Fluss: Weil die Handlung nun auf noch mehr Figuren verteilt ist, wirkt Bernardis Erzählweise oft episodisch und sprunghaft. "Es liegt was in der Luft", heißt es mal, und mitunter hat es den Anschein, als solle dieses Versprechen etwas atemlos immer und immer wieder eingelöst werden. Die einzelnen Stränge sind allerdings fesselnd. Monika zum Beispiel bekommt die Chance, ein Lied für den Grand Prix de la Chanson zu schreiben; die Verpflichtung von Helen Schneider als Zwanziger-Jahre-Größe Hannelore Ley, die einst vor den Nationalsozialisten nach Amerika geflohen ist und nun nach dreißig Jahren ein Comeback versucht, erweist sich als ausgezeichnete Wahl. Weil der Star das Lied als eigenes Werk ausgibt, will Monika selbst bei der Vorentscheidung antreten.

Trotzdem steht Gerhardts Rolle nicht mehr so im Vordergrund wie in den ersten beiden Staffeln. Zum Ausgleich rücken nun die fast ausnahmslos in irgendeiner Form beschädigten männlichen Figuren stärker ins Zentrum; davon profitiert vor allem Sabin Tambrea als Monikas mit dem Rüstungskonzern seines verstorbenen Vaters hadernder Ehemann. Ähnlich hintergründig ist die Rolle von August Wittgenstein: Helgas Mann unterdrückt seine Homosexualität, verfolgt aber Männer, die gegen den Paragrafen 175 verstoßen, als Staatsanwalt mit unnachgiebiger Härte. Die Gattin lebt derweil ihre unbefriedigte Leidenschaft mit einem Tango-Lehrer (Giovanni Funiati) aus. Die beste und coolste Rolle hat allerdings Trystan Pütter als Monikas musikalischer Partner und Exfreund Freddy, zumal seine Auftritte stets für Rock’n’Roll stehen.

Auch die politischen Zeitläufte tauchen schlaglichtartig auf: In Frankfurt werden die Auschwitz-Prozesse vorbereitet, Freddys Lokal wird verwüstet, weil er Jude ist, Kennedy bekennt "Ich bin ein Berliner", und Helga will ihrer Mutter die Zeit mit einem Fernseher vertreiben, zumal doch demnächst ein zweites Programm starte. "Als ob eines nicht genug wäre", findet Caterina Schöllack und fürchtet, dass sich ihr Gehirn durch zu viel TV-Konsum in "willenlose Puddingmasse" verwandle, während die Töchter aus der Tanzschule "ein Bumslokal" machen. Die Filme haben zwar immer noch den Schwung der ersten beiden Staffeln, zumal Karim Sebastian Elias für eine große Kinomusik gesorgt hat, aber es fehlt ein gewisses Etwas. Ein Augenschmaus sind dagegen erneut Kostüm und Ausstattung. Der Aufwand ist ohnehin wieder enorm; fast alle Außenaufnahmen sind, wenn auch unmerklich, digital bearbeitet worden. Teil eins hat das ZDF gestern gezeigt, er steht ebenso in der Mediathek zum Abruf bereit wie die Teile zwei (heute um 20.15 Uhr) und drei (am Mittwoch).