Streit um Sexkaufverbot in Karlsruhe

Bordell
© epd-bild/Heike Lyding
Verstößt Prostitution gegen die Menschenwürde und sollte verboten werden? Die Frage wird nicht nur in Karlsruhe kontrovers diskutiert
Streit um Sexkaufverbot in Karlsruhe
Positionspapier der Diakonie sorgt für Zündstoff
Verstößt Prostitution gegen die Menschenwürde und sollte verboten werden? Ob ein Sexkaufverbot sinnvoll ist, wird höchst kontrovers diskutiert. Ein Positionspapier der Diakonie Karlsruhe hat zu heftigen Diskussionen geführt.
19.02.2021
epd
Christine Süß-Demuth

Dass das Papier "Zur Situation von Prostitution in Karlsruhe" gemeinsam mit Prostitutionsstätten verfasst wurde, kritisierte etwa der Landesfrauenrat Baden-Württemberg als "frauenverachtendes Vorhaben". Der Verband zeigte sich irritiert darüber, dass die Diakonie mit Bordellbesitzern verhandle und ein "Gütesiegel" für Bordelle befürworte.

Die Initiative "Karlsruhe gegen Sexkauf" schreibt in einem sechsseitigen Offenen Brief: "Mit der Kooperation der Diakonie mit den Profiteuren der Prostitutionsszene hat sich die evangelische Kirche in Baden von ihrer Schutzpflicht vollständig verabschiedet." Die Diakonie fungiere als "Stütze dieser Industrie, die die Würde der Frauen tagtäglich mit Füßen tritt".

Gespräche auch mit Bordellbetreibern

Dies bezeichnet der Direktor der Diakonie Karlsruhe, Pfarrer Wolfgang Stoll, als "Verleumdungskampagne". Mit Unterstellungen und Halbwahrheiten werde versucht, die Arbeit des Diakonischen Werkes in Karlsruhe zu diskreditieren, sagte Stoll dem Evangelischen Pressedienst. Anderslautende fachliche Positionen, die sich gegen ein Sexkaufverbot aussprechen, sollten zum Schweigen gebracht werden. "Grundsätzlich befürworten wir Prostitution nicht, akzeptieren sie aber als eine nach geltender Rechtslage legale Tätigkeit", sagt Stoll. Allerdings gebe es "erhebliche Defizite" bei der Anwendung des Prostituiertenschutzgesetzes von 2017. Daher müsse alles getan werden, um die Situation der Frauen und Männer in der Prostitution zu verbessern.

Dass ein Verbot die Prostitution nicht verhindere, sondern in die Illegalität treibe, habe sich in der Corona-Pandemie deutlich gezeigt. "Zwang und Gewalt müssen enden. Daher sprechen wir auch mit Bordellbetreibern", so der Theologe. In dem Papier gehe es weder um eine formale Kooperation noch um eine Zertifizierung. Allerdings habe er die Dimension der ideologischen Auseinandersetzung unterschätzt. Aus heutiger Sicht würde er einiges anders formulieren.

Sachliche Diskussion gefordert

In dem Papier verpflichten sich Prostitutionsstätten und Sexarbeiterinnen zu einer freiwilligen Einhaltung von Standards. Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Frauen seien etwa ein Mindestalter von 21 Jahren und Deutsch- oder Englischkenntnisse. Den Frauen sollte zudem ein niederschwelliger Zugang zu einer festen Wohnung und zur gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht werden, hieß es. Aktuell werde das Papier überarbeitet und präzisiert, heißt es beim DW Karlsruhe.

In die Debatte hat sich auch das Diakonische Werk der Evangelischen Landeskirche in Baden, der Dachverband, eingeschaltet. Sie fordere eine sachliche gesellschaftliche Diskussion über das Thema, sagt Diakoniechef Urs Keller. Es gebe unterschiedliche Auffassungen dazu, wie die Frauen am besten vor Zwangsprostitution und Menschenhandel geschützt werden könnten. Hier könnten die Kirchen eine Plattform für die gesellschaftliche Diskussionen bieten.

Beim sogenannten Sexkaufverbot geht es vor allem um das sogenannte "Nordische Modell". Danach werden Kunden für den Kauf von Sex bestraft, die Prostituierten bleiben straffrei. 1998 hatte Schweden im Zuge einer Offensive gegen Gewalt an Frauen und für Gleichberechtigung eine entsprechende Gesetzesnovelle eingeleitet. Ob dies Prostitution verhindert oder nur verlagert, wird Studien zufolge unterschiedlich bewertet.

Zwar könne ein Verbot ein Zeichen gesellschaftlicher Missbilligung setzen, heißt es beim Deutschen Institut für Menschenrechte. Dieses werde die Bedingungen für die Frauen jedoch nicht ändern. Empfohlen wird stattdessen der Ausbau eines niedrigschwelligen Zugangs zur Gesundheitsversorgung, die Finanzierung von Fachberatung, Ausstiegsangebote, Sensibilisierung der Jugendhilfe sowie die Durchsetzung der bestehenden Strafgesetze.