TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Der Anschlag"

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TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Der Anschlag"
7.1., ARD, 20.15 Uhr
Ähnlich wie die Harz-Reihe "Harter Brocken" sind die gleichfalls von Holger Karsten Schmidt erdachten Ostsee-Krimis "Nord bei Nordwest" immer dann am besten, wenn die böse Außenwelt ins beschauliche Schwanitz einfällt. Das gilt auch für den zwölften Film der Reihe.

Der Titel bezieht sich auf ein geplantes Attentat auf die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin; die Politikerin stammt aus Schwanitz und will im Rahmen des Wahlkampfs ihr einstiges Elternhaus besuchen. Schmidts größere Herausforderung dürfte jedoch die Einführung einer neuen Hauptfigur gewesen sein: Polizistin Lona Vogt (Henny Reents) ist im letzten Film Opfer eines Serienmörders geworden ("In eigener Sache"). Erst durch diesen Verlust ist dem früheren Hamburger Hauptkommissar Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann) klar geworden, wie viel ihm Lona bedeutet hat. Entsprechend schwer tut er sich, ihre Nachfolgerin Hannah Wagner (Jana Klinge) aus Kiel willkommen zu heißen. Jacobs, im Nebenberuf nach wie vor Tierarzt, obwohl er die Praxis ursprünglich nur aus Gründen der Tarnung eröffnet hat, ist der Leiter des Reviers und bereitet der jüngeren Kollegin einen denkbar schlechten Start. Kein Wunder, dass sie in einem echten Loyalitätsdilemma steckt, als ihr unleidlicher Chef verdächtigt wird, die Ermordung von Ministerpräsidentin Maria Wengler (Victoria Trauttmansdorff) zu planen.

Natürlich ist die Geschichte nicht ganz so groß wie ein früherer Thriller Schmidts, schließlich bewegte sich "Das Papst-Attentat" (RTL, 2008) in ganz anderen Dimensionen. Dafür ist die Handlung geschickt eingefädelt: Ein Journalist (Jörg Witte) erzählt Jacobs von Hinweisen auf einen Anschlag. Er wundert sich, dass die örtliche Polizei nicht in die Sicherheitsmaßnahmen einbezogen ist, und mutmaßt daher, Jacobs sei Teil des Komplotts. Das scheint sich zu bestätigen, als der Reporter erschossen und die Tatwaffe auf Jacobs’ Boot gefunden wird. Dessen Argument, er sei doch wohl kaum so blöd, den Revolver nicht im Meer zu entsorgen, überzeugt den leitenden Personenschützer Schmiedel (Alexander Beyer) vom LKA nicht. Weil sich dessen Kollege Ronneberger (Stefan Haschke) übertölpeln lässt, gelingt Jacobs die Flucht, aber um der Sache auf den Grund zu gehen, ist er auf die Hilfe von Hannah Wagner angewiesen.

Wie bei den meisten Filmen der Reihe ist Schmidt auch diesmal eine gute Balance aus Spannung und Entspannung gelungen: Die Geschichte bringt alle Zutaten für einen fesselnden Thriller mit, doch die Umsetzung reizt den Nervenkitzel nicht aus. Gerade zu Beginn überwiegen nicht zuletzt dank der Musik ohnehin die melancholischen Momente; auch in der zweiten Hälfte sorgt vor allem Filmmusikkomponist Stefan Hansen dafür, dass sich die Spannung steigert. Anlässe dafür bietet Schmidts Drehbuch zur Genüge: Jacobs muss nicht nur die eigene Unschuld beweisen, sondern auch den Anschlag verhindern. Die Rahmenbedingungen der Handlung sind also alles andere als komisch. Trotzdem ist der Film mit heiteren Momenten durchsetzt. Hauptdarsteller dieser Ebene ist Stefan Haschke als wichtigtuerischer LKA-Beamter, den niemand so recht ernst nehmen will; der Schauspieler hat zuletzt schon in einigen "Wilsberg"-Folgen als Bielefelder Gastkommissar ausgesprochen witzige Akzente gesetzt.

Roter Faden des Films ist trotzdem die Beziehung zwischen Jacobs und der neuen Kollegin: Hannah Wagner hat keinerlei Anlass, den Unschuldsbeteuerungen ihres Chefs zu vertrauen; von seiner feindseligen Haltung ganz zu schweigen. Jacobs wiederum steckt ohne ihre Unterstützung in einer Sackgasse: Er glaubt, dass sich der Schlüssel zur Lösung des Falls in chiffrierter Form im Notizbuch des ermordeten Journalisten befindet; aber Personenschützer Schmiedel hat die Ermittlungen an sich gezogen und auch das Büchlein kassiert. Ausschlaggebend für Wagners Sinneswandel und ihre solidarische Haltung ist letztlich womöglich das überhebliche Auftreten des LKA-Kollegen. Dem Publikum hat Schmidt längst verraten, dass Schmiedel selbst hinter dem Komplott steht, dabei sind er und die Politikerin schon lange ein heimliches Liebespaar; die Auflösung der raffinierten Geschichte ist eine echte Überraschung. Außerdem hat Schmidt eine clevere Vorlage für den nächsten Film gegeben, denn natürlich hat Hannah Wagner, die auch nach Hamburg hätte wechseln können, eine Vorgeschichte mit nach Schwanitz gebracht. Regie führte Nina Wolfrum, die bereits die nicht minder sehenswerte Episode "Ein Killer und ein Halber" (2020) inszeniert hat.