TV-Tipp: "Friesland: Gegenströmung"

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TV-Tipp: "Friesland: Gegenströmung"
19. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr
Die schlechte Nachricht zuerst: Die elfte Episode der Schmunzel-Krimireihe "Friesland: Gegenströmung" muss ohne die weibliche Hauptdarstellerin Sophie Dal auskommen. Polizistin Süher hat Urlaub. Dal hat schon beim letzten Mal gefehlt ("Aus dem Ruder"); prompt war die Episode eine der schwächsten der Reihe. Doch in der neuen Folge nicht.

Diesmal verkraftet der Film ihre Abwesenheit jedoch überraschend gut, zumal die Verantwortlichen für angemessenen Ersatz gesorgt haben: Zum dritten Mal kommt es zu einem "Crossover" mit der vom selben ZDF-Redakteur (Martin R. Neumann) und vom selbem Produzenten (Anton Moho) verantworteten Reihe "Wilsberg". Die Zusammenarbeit beschränkt sich diesmal allerdings auf Kriminalkommissar Overbeck (Roland Jankowsky). Der sieht zwar längst nicht so gut aus wie Dal, bereichert die Geschichte aber durch zwei wesentliche Elemente: Verliebtheit und Eifersucht. Außerdem fühlt er sich als Großstadtermittler den Kollegen aus der ostfriesischen Provinz haushoch überlegen; und die können seine Hilfe in der Tat brauchen.

Dabei beginnt der Fall, mit dem Autor Stefan Rogall die Polizei von Leer konfrontiert, ganz harmlos: Beim morgendlichen Joggen am Deich entdeckt Henk Cassens (Maxim Mehmet) eine bewusstlose Frau (Sophie Pfennigstorf). Sie hat eine Platzwunde am Kopf, kann sich aber weder an die vergangene Nacht noch an ihren Namen erinnern. Cassens überlässt die Frau der Obhut seines Chefs, Jan Brockhorst (Felix Vörtler), dem sie jedoch entwischt, während er Frühstück besorgt. Ausgerechnet Overbeck, in den Krimis aus Münster nur selten maßgeblich an der Wahrheitsfindung beteiligt, klärt die Kollegen auf, wen sie da in Gewahrsam hatten: Kerstin Wittmar ist eine zur Fahndung ausgeschriebene radikale Umweltaktivistin. Offenbar will sie gemeinsam mit einem Gesinnungsgenossen in der Gegend ein Zeichen setzen. Tatsächlich gibt es mit dem bei Umweltschützern verpönten Sperrwerk ein potenzielles Anschlagsziel. Für Brockhorst ist der Fall klar: Die "Öko-Terroristin" hat den Gedächtnisverlust nur vorgetäuscht und will das Sperrwerk in die Luft jagen, auch auf die Gefahr hin, dass dabei Mitarbeiter sterben.

Die Krimiebene ist durchaus interessant, aber sehenswert wird "Gegenströmung" in erster Linie durch die Animositäten zwischen den Hauptfiguren, zumal Rogall – er hat auch die beiden anderen "Crossover"-Krimis "Morderney" (sehenswert) und "Wellenbrecher" (eher schwach) geschrieben – aus dem gar nicht so komplex wirkenden Handlungsentwurf eine überraschend vielschichtige Geschichte gemacht hat.

Emotionales Zentrum sind Overbecks Gefühle für die Apothekerin und Freizeitkriminalistin Insa Scherzinger (Theresa Underberg). Er hat sich in Leer ein sehr gebrauchtes Boot gekauft, das er ebenso hartnäckig wie fälschlicherweise als Yacht bezeichnet, obwohl ihn die Einheimisches jedes Mal korrigieren. Als er und Scherzinger an Bord die Leiche des Sperrwerksicherheitschefs entdecken, wird Kerstin Wittmar fortan als Mörderin gesucht. Die Sache ist jedoch viel komplizierter, denn der geplante Anschlag entpuppt sich als letztes Glied einer Ereigniskette, die vor einigen Jahren mit einer Katastrophe und vielen Toten begonnen hat.

Regie führte Marc Rensing, der auch die gute erste "Friesland"-Folge mit Maxim Mehmet als Nachfolger von Florian Lukas ("Der blaue Jan") gedreht hat. Seine Inszenierung zeichnet sich vor allem durch die Sorgfalt im Detail bei der Arbeit mit dem Ensemble aus: Immer wieder sorgen die Hauptdarsteller:innen durch kleine Gesten für heitere Momente; selbst die Kühe scheinen auf sein Kommando zu hören. So etwas kann erfahrungsgemäß leicht aufgesetzt wirken, aber gerade Vörtler und Scherzinger spielen das wunderbar beiläufig. Die Besetzung der Gastrollen ist von ausgesuchter Sorgfalt, was in diesem Fall besonders wichtig ist, weil auch Nebenfiguren wie die Assistentin (Annika Ernst) des Sperrwerkleiters oder die Geschäftsführerin (Bianca Hein) einer Werft entscheidenden Anteil am von Rachsucht geprägten und immer ereignisreicheren Verlauf des Films haben; die Handlung mündet schließlich in ein fesselndes Finale mit gleich zwei Countdowns.

Im letzten Drittel ist ohnehin keine Zeit mehr für Späße, aber zuvor sorgt im Grunde allein die sehr präsente Musik von Thomas Mehlhorn für hintergründige Spannung, weshalb der flott erzählte Krimi gerade wegen der Dialoge viel Spaß macht. Das gilt nicht zuletzt für die witzigen Wortgefechte zwischen Insa Scherzinger und ihrer neuen Angestellten: Tina Pfurr bringt als vorlaute Melanie eine Menge frischen Wind in die Apotheke und sollte fortan zum festen Ensemble gehören. Jankowskys Mitwirkung wird dagegen eine Ausnahme bleiben, schließlich wird Overbeck dringend in Münster gebraucht, auch wenn es sehr amüsant ist, dass die Menschen im Norden alsbald genauso genervt von ihm sind wie im Münsterland.